Symbolisches Ende einer Reise: In Buenos Aires taufen Mahony ein Schiffswrack auf den Namen "Kimm Sun Sinn".

Foto: Layr Wuestenhagen

Schwaz - Die Überquerung des Atlantiks mit dem Schiff - auch heute ist das noch ein großes, abenteuerliches Sehnsuchtsmotiv: Auf ein solches Wagnis hat sich im Herbst 2009 die Künstlergruppe Mahony (Andreas Duscha, Clemens Leuschner, Stephan Kobatsch, Jenny Wolka) eingelassen; allerdings auf keinem Luxuskreuzer, sondern einem Containerschiff, das sie von Hamburg über Antwerpen und Lissabon bis nach Santos in Brasilien bringen sollte. Die Reise auf dem Frachter ist Teil ihres Projekts Odyssee 500, mit dem die Gruppe die Kulturgeschichte des Reisens untersuchen will.

"Die Erhabenheit des Reisens wird durch den Alltag relativiert", erzählt Clemens Leuschner. Der Tagesablauf sei geprägt von Rationalität, Monotonie, Kargheit und Enge. Struktur in die Langeweile bringen die Mahlzeiten: Ein Lichtblick, wenn auch nur ein trüber, wie die Bilder dokumentieren, die die Mahonys beim gemeinsamen Essen in der Kabine zeigen.

Kimm Sun Sinn heißt die Ausstellung in der Stadtgalerie Schwaz (in Kooperation mit der Kunsthalle Krems): "Kimm" meint den nautischen Begriff für die Horizontlinie, die gemeinsam mit dem Stand der Sonne eine analoge Bestimmung der Position auf See ermöglichen. Das Foto, das Kobatsch mit dem Sextanten in der Hand zeigt, die Container und das weite Meer vor sich, erinnert ein wenig an Caspar David Friedrich. Aber damit hört die Romantik auch schon auf: Es geht nicht um eine konkrete Standortbestimmung, sondern um globale, ortsunabhängige Fragen des Warenverkehrs: Grafiken und Fotos zeigen etwa Reiserouten des Mülls, die Regelungen zu dessen Entsorgung im großen Blau oder auch unfreiwillig dem Meer überantwortete Waren.

Mit der Einführung der Container änderte sich die Verschiffbarkeit von Gütern wesentlich: Der Blick auf das Transportgut wurde verwehrt, der Transfer anonymisiert. Was man transportiert, wissen die Seemänner, die sich abends unter Deck mit Karaoke-singen bei Laune halten, gar nicht mehr: Blechern untermalt ihr Gesang das ungewisse Kreisen des zur Black Box stilisierten Containers, der in der zentralen Installation auf einer unheilvollen, tiefschwarzen Wasseroberfläche schwimmt: We are the world.(Anne Katrin Feßler / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4.6.2010)