Gottwald Kranebitter: "Die Hypo-Gruppe wurde in der Nachkriegsära des Balkan groß, da galten wahrscheinlich andere Gesetzmäßigkeiten, als wir sie im Normalzustand eines entwickelten Landes haben oder haben wollen."

Foto: STANDARD/Hendrich

Nach der Hypo Alpe Adria will sich deren Chef, Gottwald Kranebitter, den Kilimandscharo (5893 m) vornehmen. Warum er glaubt, der richtige Retter für die Bank zu sein, setzte er Renate Graber auseinander.

***

Kranebitter (zur Fotografin): Tolle Kamera. Ich fotografiere auch gern - am liebsten Details. Und am allerliebsten Schilder, auf denen etwas in verschiedenen Sprachen geschrieben steht, weil die Übersetzungen oft so amüsant sind.

STANDARD: In Kärnten schon Schilder gesehen, die Ihnen gefallen?

Kranebitter: Manche Ortsnamen gefallen mir ganz gut.

STANDARD: Aber auf den Ortstafeln nicht zweisprachig angeschrieben.

Kranebitter:  Ja, und das ist schade. Ich bin ein großer Verfechter der Zweisprachigkeit. Ich habe auch vor, ein bisschen Serbo-Kroatisch zu lernen, bei uns in der Bank sind viele Leute zweisprachig.

STANDARD: Sie sind seit April Chef der Hypo Alpe Adria, ein Himmelfahrtskommando. Was genau reizt Sie daran?

Kranebitter: Ausschließlich die Chance auf Erfolg.

STANDARD: Ist es nicht schon ein Erfolg, wenn die Bank nicht liquidiert werden muss?

Kranebitter:  Erfolg ist, wenn die Kernbankengruppe so stabilisiert ist, dass sie langfristig allein überleben kann, und der Eigentümer, die Republik, die Chance hat, sie als Gesamtes zu reprivatisieren.

STANDARD: Die Hypo verlässt etliche Länder, die Kernbank wird die Hälfte der jetzigen Bilanzsumme haben, 20 Mrd. Euro. Wer braucht eine kleine Kärntner Bank mit ein paar Töchtern in Südosteuropa?

Kranebitter: Das ist eine Milchmädchenrechnung. Wir werden die Bank bis 2014 zweiteilen: der eine Teil wird verkauft, bzw. das Geschäft läuft aus, der andere Teil wird leicht wachsen. Am Ende wird die Bank um ein Drittel kleiner sein als heute, andere Kunden und Portfolios haben - aber trotzdem noch eine Hypo Alpe Adria Gruppe sein. Südlich der Karawanken ist jede Bank systemrelevant. Die österreichische Bank ist zwar relativ klein, aber wichtig für Kärnten, und sie hat Erfolgsaussichten.

STANDARD: Aber das wird doch dann eher ein Hypo Alpe Adria Grüppchen sein?

Kranebitter: Nein, die Hypo bleibt schon eine anständige Gruppe, in Österreich, Slowenien, Kroatien, Serbien und Bosnien. In Deutschland, Ukraine, Ungarn, Bulgarien und Mazedonien, wo wir Leasinggesellschaften haben, sind wir dabei, die Geschäfte und Kunden abzuarbeiten. Und für Italien und Montenegro wird uns die EU den Verkauf auferlegen, bis dahin arbeiten wir dort ganz normal weiter. Den Verkaufsprozess beginnen wir nämlich erst, wenn wir wissen, dass wir den erfolgreich und schnell beenden können. Und das wird Jahre dauern, das weiß auch die EU.

STANDARD: Wissen Sie schon, ob Sie mit dem Staatsgeld und den Risikovorsorgen auskommen werden, die Sie gebildet haben? Sie wollen das anhand der Halbjahresbilanz beurteilen.

Kranebitter: Genau. Und die steht am 30. Juni.

STANDARD: Das Land Kärnten steht derzeit noch per Gewährsträgerhaftung für einen beträchtlichen Teil der Hypo-Finanzierungen gerade, es geht um stolze 19 Milliarden Euro. 2017 läuft die Landeshaftung EU-weit aus. Wie werden Sie die Finanzierung der Hypo bis dahin umstellen?

Kranebitter: Wir müssen dafür sorgen, dass wir nicht unter Druck geraten, und werden, wie andere Banken auch, ein Bündel von Finanzierungsinstrumenten aufstellen: Einlagen, eigene Emissionen, Interbank-Finanzierungen, und die Bank wird ja eben auch verkleinert.

STANDARD: Apropos: Wie viele Mitarbeiter wird die kleinere Hypo dann haben? Jetzt sind es rund 7500, davon arbeiten tausend in Österreich ...

Kranebitter: Nach allen Verkäufen werden wir bei 5500 stehen. Und: Es gibt auch kein neues Mitarbeiterabbau-Programm, derzeit suchen wir sogar Mitarbeiter.

STANDARD: Sie lieben ja die Berge sehr. Welches ist Ihr Lieblingsberg?

Kranebitter: Die Hohe Munde, mein Hausberg in Tirol. Und ich habe den Traum, den Kilimandscharo zu besteigen, vielleicht nach einem Erfolg in Kärnten. Auf einem 5000er war ich schon: dem Ararat. Ein großes Abenteuer.

STANDARD: Die Höhe reizt Sie, die dünne Luft?

Kranebitter: Nicht die Höhe allein, es ist auch die Schwierigkeit: Ich klettere sehr gern.

STANDARD: Hat eigentlich die sagenumwobene Kranebitter-Klamm etwas mit Ihrer Familie zu tun?

Kranebitter: Nein. Der Ursprung des Namens ist die Wacholder-Staude, die heißt in der Mundart Kranebittstaude. Wahrscheinlich waren wir einmal Schnapsbrenner. Aber noch zu Ihrem Vergleich mit den Bergen: Die Höhe ist es nicht, die ich in Kärnten suche, ich suche die Herausforderung. Ich will, auch mir selbst, beweisen, dass ich etwas zusammen bringe, von dem mir viele sagen: Das geht nicht. Mich fasziniert, eine in Schieflage geratene Gruppe aufs Gleis zu stellen.

STANDARD: Viele haben Ihnen von dem Job abgeraten, oder?

Kranebitter: Die Reaktionen waren sehr geteilt, werden aber positiver. Es gibt auch viele, die sagen: Wenn es jemand schafft, dann du.

STANDARD: Was können Sie, was andere nicht können?

Kranebitter: Man schreibt mir zu, dass ich ein sehr klarer, analytischer Denker bin, tue, was ich sage, authentisch und energetisch bin und nicht schlecht motiviere. Dass ich Wald wie Bäume sehe ...

STANDARD: ... und den Raum dazwischen, wie Klaus Woltron schrieb...

Kranebitter: Genau. Und ich bin ein Entscheider.

STANDARD: Spornt Sie auch an, dass Sie mit einem guten Hypo-Verkauf Geld der Steuerzahler retten könnten? Wäre so ein bisserl ritterlich...

Kranebitter: Darum geht es mir nicht. Ich bin doch kein Ritter.

STANDARD: Ex-Hypo-Chef Kulterer wollte Sie schon 2006 in den Vorstand holen. Warum haben Sie damals den Job nicht angenommen?

Kranebitter: Ich dachte damals, ich würde ersucht, zu den Swapverlusten fachlich Stellung zu nehmen und war sehr überrascht, als Kulterer mich fragte, ob ich eine Vorstandsposition annehme. Damals war die Zeit nicht reif.

STANDARD: Jetzt sind Sie die meiste Zeit in Kärnten, Sie leben in verschiedenen Hotels und Pensionen. Um die Kärntner kennen zu lernen, wie es heißt?

Kranebitter: Ja. Ich will möglichst präsent sein und nicht irgendwo im Elfenbeinturm sitzen. Ich fühle mich freundlich aufgenommen.

STANDARD: Gilt das auch in der Bank? Es gibt auch Mitarbeiter aus der eher dunklen Vergangenheit ...

Kranebitter: Es gibt keinen Generalverdacht, im Gegenteil. Ich möchte Mitarbeiter und Bank vom Generalverdacht befreien. Es ist ganz simpel: Wir haben eine Gruppe von Mitarbeitern, die sich mit der Vergangenheit beschäftigt und Verdachtsfällen nachgeht. Ich möchte ethische Standards sicher stellen, sicher stellen, dass alle, vom Vorstand bis zum Filialmitarbeiter Privates und Berufliches sauber trennen. Die Kunden wollen uns vertrauen können.

STANDARD: Die Kunden haben Ende 2009 rund eine Milliarde Euro aus der Bank abgezogen. Wie viel davon haben Sie zurückgeholt?

Kranebitter: Wir haben die Lage stabilisiert, und ich führe mit allen großen Kunden Einzelgespräche, um sie zurück zu gewinnen.

STANDARD: Was ist schief gelaufen in der Hypo?

Kranebitter: Das zu beurteilen sind andere berufener. Sicher ist, dass man zu schnell gewachsen ist und in einzelnen Töchtern die Finanzierung nicht abgesichert hat. Und dass man das rasante Wachstum nicht mit dem Risikomanagement und Controlling begleitet hat, das nötig ist, um Fehlentwicklungen schneller zu erkennen.

STANDARD: Wer ist "man"?

Kranebitter: Die damaligen Führungskräfte und Aufsichtsorgane. Sie gingen zudem 2006, 2007 davon aus, dass sich der Boom fortsetzen würde, aber das taten viele andere auch.

STANDARD: Es gab schon zuvor die Swap-Verluste 2004, Bilanzfälschung und kritische Prüfberichte. Wie erklären Sie sich, dass die Kritik allen egal war, ohne Folge blieb?

Kranebitter: Ich weiß nicht, ob das allen egal war und keine Folgen hatte. Es wäre jedenfalls zu einfach, mit der Weisheit des Rückblicks einen Faktor und eine Person herauszugreifen und Schuld zuzuweisen. Es war eine Vielzahl von Faktoren, die zum Fast-Kollaps führte, inklusive Krise. Auch andere Banken haben Probleme.

STANDARD: Aber nur zwei mussten aufgefangen werden.

Kranebitter: Stimmt. Es gibt auch nichts schönzureden, die Bank musste notverstaatlicht werden. Aber ich muss die Ursachenanalyse anderen überlassen, sonst kann ich die Bank nicht führen. Mir war wichtig, ein Reinigungsprogramm zu installieren: Jeder Verdachtsfall wird überprüft und allenfalls angezeigt. Unabhängig von seiner Größe, ohne Ansehen der Person.

STANDARD: Hypo-Anwalt Held hat 50 Sachverhalte angezeigt, ebenso Ex-Manager wie Kulterer, Kircher, Schmidt, Berlin. Nun wirft man ihm Befangenheit vor. Steigt er zu vielen Leuten auf die Zehen?

Kranebitter: Der Bank und der Republik ist es mit Held und seinem Team gelungen, in kürzester Zeit enorm viele Verdachtsfälle aufzubereiten. Dass das nicht angenehm ist für die Betroffenen, ist ein Faktum. Held ist ein höchst professioneller Anwalt, ich unterstütze ihn voll. Wir werden jedenfalls jeden Schaden, der uns entstanden ist, zurückfordern.

STANDARD: In welchem Biotop konnte das alles geschehen?

Kranebitter: Die Hypo-Gruppe wurde in der Nachkriegsära des Balkan groß, da galten wahrscheinlich andere Gesetzmäßigkeiten, als wir sie im Normalzustand eines entwickelten Landes haben oder haben wollen. Und es gab Leute, die zwischen Beruflichem und Privaten nicht unterschieden.

STANDARD: Sie meinen Ex-Manager, die in ihre eigene Tasche gearbeitet haben sollen. Haben Sie schon Schadenersatzforderungen gestellt? Da droht doch Verjährung.

Kranebitter: Das geht aber mit der strafrechtlichen Aufarbeitung Hand in Hand, und die Staatsanwaltschaft arbeitet ja.

STANDARD: Sie vertrauen auf zügige Arbeit der Justiz? In der Causa Libro dauerte es von der Anzeige bis zur Anklage zehn Jahre, Sie selbst wurden rund um ein Gutachten lang als Beschuldigter geführt...

Kranebitter: Das Verfahren gegen mich wurde im Oktober 2008 eingestellt. Das Thema ist erledigt.

STANDARD: Sie sind nun Generaldirektor einer Staatsbank. Wie die Politik hineinregiert, konnte man im Aufsichtsrat sehen, als es um die Abfertigung Ihres Vorgängers ging. Wie halten Sie es mit der Politik?

Kranebitter: Ich suche das Gespräch - und zwar das fachliche - mit allen und finde überall Unterstützung. Man akzeptiert mich als Fachmann. Und ich gehe auch hin und bedanke mich bei allen dafür, bei Finanzminister, Staatssekretär, bei der Kärntner Landespolitik.

STANDARD: Rund um den Streit über und die Rechtfertigung für Franz Pinkls Millionen-Abfertigung wurde damals argumentiert, er würde noch bis Juni in der Bank mitarbeiten. Hat Herr Pinkl das getan?

Kranebitter: Herr Pinkl steht bei Bedarf zur Verfügung.

STANDARD: Sie waren als Berater bei jener Sitzung am 14. Dezember 2009 im Finanzministerium dabei, an deren Ende die Hypo verstatlicht wurde. Manche Teilnehmer beschrieben diese Sitzung als höchst skurriles Sittenbild: Die Bank stand am Abgrund, die durch Landeshauptmann Dörfler vertretenen Kärntner und die Vertreter Bayerns als damalige Aktionäre wollten von der Hypo nichts mehr wissen, in allerletzter Minute erst konnte mit den Alteigentümern ein Weg gefunden werden. Welches Eigenschaftswort fiele Ihnen zu dieser Verstaatlichungssitzung ein?

Kranebitter (lacht): Spannend.

STANDARD: Apropos: Wie können Sie mit Landeshauptmann Gerhard Dörfler? Versteht er Sie?

Kranebitter: Kein Problem, und ich kann auch mit ihm. Wobei: Es geht nicht darum, dass ich überall Verständnis finde, sondern ich will frei von Wünschen und Zurufen arbeiten - und das kann ich.

STANDARD: Worum geht's im Leben?

Kranebitter: Darum, eine gute Spur zu hinterlassen.

(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5./6.6.2010)