Auch wenn man daheim fleißig Strom spart: Häufige Flugreisen drehen auch die beste persönliche Energiebilanz um.

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Wichtige Faktoren: effiziente Geräte und Mobilität.

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Wien – Wenn es darum geht, den Energieverbrauch zu reduzieren, ist die Energieeffizienz nur die eine Seite der Medaille: das technische Tüfteln, wie Geräte mit weniger Energieverbrauch genauso gut funktionieren. Dreht man die Medaille um, wird es nur allzu menschlich: Denn das Energiesparen – der sparsame Gebrauch der Geräte – ist das, wofür jeder Einzelne selbst verantwortlich ist.

"Wir haben uns gefragt, warum sich beim Energiesparen vergleichsweise wenig tut", berichtet Friedrich Hinterberger vom "Sustainable Europe Research Institute" (Seri), "und haben gemeinsam mit der Karmasin-Marktforschung eine Umfrage durchgeführt, bei der Lebensstile und Fragen des Energieverbrauchs kombiniert wurden." Das Ergebnis kann in einem Satz zusammengefasst werden und ist ebenso verblüffend wie ernüchternd: "Es gibt keine Vorreiter beim nachhaltigen Energiekonsum."

Knapp über 1000 Haushalte wurden befragt – nach ihrem energierelevanten Verhalten und zu sozioökonomischen und kulturellen Faktoren auf der Haushaltsebene. Und zwar sehr detailliert und umfangreich – denn auf Fragen wie "Wie viel Strom verbrauchen Sie im Haushalt?" bekommt man erfahrungsgemäß nur unbrauchbare Antworten. Weil das kaum jemand wirklich weiß.

Danach wurde analysiert, welchem der weiter unten beschriebenen "Milieus" der oder die Befragte zuzurechnen sei – und dann das persönliche Energieverhalten hochgerechnet. Dabei zeigten sich entsprechende Unterschiede im Verhalten.

Vertreter des Harmonie-Milieus etwa haben in ihrem Haushalt eher wenige und dafür recht alte, ineffiziente Geräte. Jene aus den Gruppen der Unterhaltungs- oder Selbstverwirklichungs-Milieus haben daheim viele, aber effizient arbeitende Geräte. Die "Harmonischen" haben kaum, die "Selbstverwirklicher" viele Energiesparlampen. Das fällt aber in der Gesamtenergiebilanz kaum ins Gewicht. Überdies gilt: "Je mehr effiziente Geräte jemand hat, desto öfter sind sie auch im Gebrauch", erläutert Projektleiterin Lisa Bohunovsky. 

Relevanter ist hingegen die Wohnform: Im einfachen, zurückgezogenen "Harmonie-Milieu" etwa finden sich die klassischen "Häuselbauer": Sie leben eher in schlecht gedämmten Häusern mit eher hohem Energiebedarf. Das "Selbstverwirklichungs-Milieu" hingegen wohnt mehrheitlich in Wohnungen – das "Unterhaltungs-Milieu" wiederum in Wohnungen mit geringer Wohnfläche. Die Wohnform mit der vergleichsweise besten Energiebilanz

Ein klares Ergebnis, sollte man meinen: Die Jungen, Aufgeklärten, die in kleinen Wohnungen leben und effiziente Geräte verwenden – die klaren Siegertypen für eine erste Ökobilanz. Doch dann kommt noch der Faktor Mobilität dazu. Und da zeigt sich: "Die Jungen fahren am meisten", fasst Bohunovsky zusammen. "Dadurch wird der Gesamtenergieverbrauch extrem hoch." Denn während die Vertreter des "Harmonie-Milieus" kaum fliegen, steigt mehr als die Hälfte der Jungen mindestens einmal pro Jahr in den Flieger. Die "Selbstverwirklicher" sind eher auf Kurzstrecken unterwegs, die Vertreter der "Unterhaltungs-Milieus" eher auf der Langstrecke.

Rechnet man dies alles zusammen – kommt nun unter dem Strich mehr oder weniger dasselbe heraus. Was nun zu einem fatalistischen "Is’ eh wurscht" führen könnte – oder aber zu der Frage, wie man die einzelnen Milieus zu einem geänderten Energieverhalten motivieren könnte.

"Wenn man im 'Hamonie-Milieu' den richtigen Ton findet, könnte man sicher zu mehr Effizienz bei der Gerätewahl motivieren", ist Hinterberger überzeugt. "Beim 'Selbstverwirklicher-Milieu' hingegen wird man sicher beim Lebensstil und beim Verhalten ansetzen müssen." Und dass das Thema Verhaltensänderung ein heikles ist – ist Hinterberger durchaus bewusst. "Aber unsere Untersuchung zeigt,  dass es ohne dem nicht gehen wird. Denn Energienutzung ist kein bewusster Akt – sondern ein Verhalten, das in die Tagesroutine eingebaut ist."

Die vier Milieus

Bei dieser Untersuchung wurde das Konzept der "Erlebnis-Milieus" gewählt; vier Gesellschaftsgruppen, die über Fragen der Freizeitaktivitäten, Medienformate, Musikvorlieben und allgemeine Werte definiert werden.

Das "Niveau-Milieu" etwa bildet sich aus älteren, gebildeten Personen mit einem Bedürfnis für Ruhiges, Kultiviertes, Traditionelles, die Schrilles und Schnelles ablehnen. Die Positionen sind hoch – wie auch das Einkommen. Modernste, effizienteste Haushaltsgeräte – viele Flugreisen. Das "Harmonie-Milieu" ist älter, weniger gebildet, sehnt sich nach Gemütlichem und Vertrautem. Lieblingsbeschäftigung: Fernsehen. Bildung und Einkommen sind eher bescheiden.

Das "Selbstverwirklichungs-Milieu": jüngere, gebildete Personen, Individualität und Freiheit stehen an oberster Stelle. Soziale, therapeutische, pädagogische Berufe, aber auch "Yuppies". Viele, sehr effiziente Geräte. Vor allem kleinere Wohnungen – aber die meisten Flugreisen und die höchste Anzahl an Pkws pro Erwachsenem.

Das "Unterhaltungs-Milieu": junge Personen, niedriger Schulabschluss. Bedürfnis nach Schrillem und Action. Eher wenig elektrische Geräte, Haushaltsgeräte sind eher effizient. Nach den Selbstverwirklichern die zweithöchste Anzahl an Pkw-Kilometern und häufige Flugreisen. (Roman David-Freihsl/DER STANDARD, Printausgabe, 5./6.6.2010)