Clemens Zeller hängte beim Liese-Prokop-Memorial in St. Pölten alle Gegner ab, verbesserte den 13 Jahre alten 400-m-Rekord Christoph Pöstingers um 0,11 auf 45,69 Sekunden.

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Wien - "Ich hab drei Tage lang nur gespieben." Also erinnert sich Clemens Zeller an seinen ersten Kontakt mit dem österreichischen Bundesheer. Der Kontakt dauerte drei Tage lang, dann rüstete Zeller ab. Seine Allergien (unter anderem gegen tierische Fette, Milch, Nuss, Äpfel, Koffein) hatte der Niederösterreicher bei der Musterung zwar angegeben, doch nahm das Bundesheer genau gar keine Rücksicht darauf, und also konnte sich der speibende Zeller seine Karriere als Zeitsoldat vorerst aufzeichnen. Er war damals ein talentierter 400-m-Läufer, der meinte, er werde ohne Bundesheer den Durchbruch schaffen. Oder auch nicht.

Einige Jahre später will Zeller (25) unbedingt wissen, was in ihm steckt. Und er will den Eltern, die Lehrer sind, nicht mehr auf der Tasche liegen. Schließlich studiert er noch auf der PädAK (Mathematik, Sport). Und deshalb hat sich Zeller durchgebissen. Er nahm beim Bundesheer einen weiteren Anlauf, mag sein, dass ihm die Küche ein wenig entgegenkam, am Ende der Grundausbildung im vergangenen Oktober ging es ihm so oder so "einigermaßen dreckig" . Dafür ist er nun Zeitsoldat, und damit hat er eine finanzielle Basis. "Jetzt ist das Laufen mein Job" , sagt er, "früher war es ein Hobby."

Schon als Hobbyist hatte es Zeller relativ weit gebracht, zu heimischen Meisterehren sowieso und beispielsweise zu einem vierten Platz bei der Hallen-EM 2009. Hernach wurde er von Achillessehnenproblemen und der Grundausbildung gebremst, heuer allerdings könnte der internationale Durchbruch gelingen. Am Donnerstag überraschte Zeller auch sich selbst, als er in St. Pölten den 13 Jahre alten 400-m-Rekord von Christoph Pöstinger auf 45,69 Sekunden verbesserte. Das kann sich sehen lassen, damit liegt er in Europa 2010 immerhin auf Rang vier. Zum großen Kräftemessen kommt es Ende Juli bei der EM in Barcelona. Dort will Zeller seinen "stärksten Lauf in dieser Saison zeigen" . Er sagt, dass er ins Semifinale will, will aber natürlich ins Finale. "Es ist heuer ein riesiger Sprung möglich."

Der Pöstinger-Rekord war seit drei Jahren Zellers Ziel. "Gut Ding braucht Weile." Nicht zuletzt profitiert Zeller davon, dass ihn sein Trainer Edi Holzer mit dem 800-m-Läufer Andreas Rapatz zusammenspannte. Sie bildeten schon im Winter eine Trainingsgemeinschaft, der Kontakt hat sich vor zwei Monaten intensiviert, Rapatz ist eigens nach Krems übersiedelt, wo sich die beiden nun täglich anspornen. Zeller soll sich laut Holzer von Rapatz' größerer Ausdauer, Rapatz soll sich von Zellers größerer Schnelligkeit ein Scheibchen abschneiden.

Für die EM sind neben Zeller und Rapatz elf weitere ÖLV-Aktive schon qualifiziert. Zellers großes Ziel lautet aber London 2012, auf Sicht traut er sich schließlich eine 44er-Zeit zu. "Würde ich nicht zu den Olympischen Spielen wollen, wäre ich kein Spitzensportler." Peking 2008 hat er verpasst. Damals war das Limit (45,55) sehr hart und das Laufen noch kein Beruf. (Fritz Neumann, DER STANDARD, Printausgabe, 5., 6. Juni 2010)