Sie setzen Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff den DDR-Bürgerrechtler Joachim Gauck entgegen.

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Der Andrang ist eines Präsidenten würdig. Als Joachim Gauck, DDR-Bürgerrechtler und Stasi-Aufklärer, am Freitag zur Pressekonferenz kommt, muss er sich erst einmal den Weg durch die Menge bahnen. Viele sind erschienen, um seine Nominierung mitzuerleben. Gauck ist seit zwanzig Jahren eine feste Größe im politischen Betrieb Deutschlands und genießt dort in fast allen Parteien hohes Ansehen.

Dennoch: Nominiert wurde er allein von Sozialdemokraten und Grünen. Ihre Idee, Gauck als überparteilichen Kandidaten ins sichere Rennen ums Schloss Bellevue zu schicken, kam bei der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht so gut an. Die Kanzlerin sei doch auch eine Ostdeutsche, habe sie ihn gar nicht angerufen, wird Gauck gefragt. "Oooooch", antwortet der vielsagend, "Frau Merkel hat doch so viel zu tun."

Überhaupt ist Gauck guter Dinge. Dass er rechnerisch ohne Chancen ist, weil CDU, CSU und FDP in der Bundesversammlung eine Mehrheit von rund zwanzig Stimmen haben, stört ihn nicht. "Ich kann zählen", sagt er recht illusionslos, aber nicht unvergnügt. Das ist der Zeitpunkt, an dem SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier (SPD) ihm ein bisschen beispringen muss. Er sei überzeugt, dass Gaucks Kandidatur "auch dem einen oder anderen in der Bundesversammlung zu denken gibt, ob man hier wirklich nach kleinkarierter parteipolitischer Ordnung entscheiden darf."

Dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU) möglichst viele Stimmen aus dem bürgerlichen Lager abzuluchsen ist das Ziel von Rot-Grün. "Joachim Gauck bringt ein Leben mit in seine Kandidatur", lobt SPD-Vorsitzender Sigmar Gabriel. Koalitionskandidat Wulff hingegen bringe "nur eine politische Laufbahn mit". Gauck selbst möchte seine Chance nicht ungenutzt verstreichen lassen. In den verbleibenden Tagen bis zum 30. Juni will er seine "zahlreichen Verbindungen" zu CDU/CSU und FDP spielen lassen und ihnen auch seine "Freiheitsbotschaft" darlegen: Dass man die Entfremdung zwischen Regierung und Volk überwinden müsse. "Dieser Staat ist nicht nur der Staat derer, die ihn machen, sondern auch der der Bürger in den Verbänden und Vereinen", sagt Gauck.

FDP hat Sympathie

Erste Sympathiebekundungen aus den Reihen der FDP trudeln bereits ein. Gäbe es nur den Kandidaten Gauck, dann könnte die FDP sicherlich wunderbar mit ihm leben, sagt der parlamentarische Geschäftsführer, Otto Fricke. Vereinzelt gibt es bei den Liberalen auch Kritik an der Nominierung Wulffs. "Wir können nicht der Abnickverein der Union werden", betont Thüringens FDP-Generalsekretär Patrick Kurth.

Jorgo Chatzimarkakis, Mitglied im FDP-Bundesvorstand, erklärte am Donnerstag in der Talkshow Maybrit Illner öffentlich, was viele in der Koalition nur hinter vorgehaltener Hand zugeben: Die Kandidatur von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen sei am männlichen Widerstand in der CDU gescheitert.

Gegen derlei "Legendenbildung" wehrt man sich im deutschen Bundeskanzleramt. "Grober Unfug" sei das Gerücht, es habe einen Machtkampf gegeben, heißt es in Merkels Umgebung. Vielmehr sei Wulff der einzige Kandidat gewesen, den Merkel dann direkt gefragt habe.

Wulff, der mit seiner zweiten Ehefrau Bettina Wulff-Körner (36) nach Berlin kommen wird, hat angekündigt, er wolle den Menschen "Mut machen" und sie "zusammenführen". Möglicherweise kommt noch eine dritte Person ins Spiel. Anders als 2009, als Gesine Schwan für die SPD antrat, gibt es diesmal keine Unterstützung von der Linkspartei. "Joachim Gauck ist sehr rückwärtsgewandt und kein Kandidat für die Zukunft", sagt Linke-Chefin Gesine Lötzsch. Die Partei sucht nun nach einem eigenen Kandidaten. (Birgit Baumann aus Berlin/DER STANDARD, Printausgabe, 5.6.2010)