Paris/Berlin - Die mittlerweile auch von den USA als "untragbar" bezeichnete israelische Gaza-Blockade beschäftigt internationale Pressekommentatoren:

  • "Libération" (Paris):

"Dient diese totale und unerbittliche Blockade den Interessen des jüdischen Staates? Das ist alles andere als sicher. Sie isoliert Israel diplomatisch ebenso wie den Gazastreifen physisch und (...) sie schwächt nicht die Unterstützung, über die die Hamas (in der palästinensischen Bevölkerung) verfügt. Wenn es darum ginge, Waffenlieferungen zu verhindern, würde es Kontrollmechanismen geben, die Militärmaterial blockieren und nicht Medikamente und Milchpulver."

  • "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ):

"Die desaströse Kommandoaktion Israels gegen die 'Solidaritätsflotte' für Gaza zeigt politische Wirkung. Die Blockade des nur etwa 300 Quadratkilometer kleinen und übervölkerten Stück Landes soll gelockert werden. Das wird nicht nur den dort lebenden Menschen ein Stück weit Erleichterung bringen, sondern auch Israel dabei helfen, den Imageschaden ein wenig auszubessern, den die blutig verlaufene Attacke auf das Schiff 'Mavi Marmara' weltweit angerichtet hat. Doch damit nicht genug: Man sollte in Jerusalem auch darüber nachdenken, ob die seit nun vielen Jahren wirkungslos gebliebene Taktik einer Einschnürung des Gazastreifens nicht ganz aufgegeben werden sollte. Der in den Händen der Hamas befindliche Soldat Gilad Shalit ist nicht freigekommen, und die Hamas hat sich nicht gemäßigt."

  • "Stuttgarter Zeitung":

"Vor der Küste von Gaza kreuzt ein neuer Hilfskonvoi. Es ist an Israel, eine Eskalation zu vermeiden. Israel steht mit dem Rücken zur Wand. Internationale Friedensaktivisten wollen heute im zweiten Anlauf versuchen, mit ihren Hilfsgütern die Seeblockade vor Gaza zu durchbrechen. Sie werden auf keinen Fall von ihrem Vorhaben ablassen, sehen sie doch nach dem blutigen und skandalösen Überfall israelischer Soldaten auf den ersten Schiffskonvoi die internationale Öffentlichkeit auf ihrer Seite. (...) Zur Lösung des Problems darf es nur auf friedlichem Wege kommen, will sich Israel nicht vollständig isolieren. Unter den Augen der Weltöffentlichkeit muss das Land beweisen, dass es zu Kompromissen bereit ist und nicht nur nach dem Recht des Stärkeren handelt."

  • "Financial Times Deutschland" (FTD) (Hamburg):

"Die Regierung von Benjamin Netanyahu und Avigdor Lieberman gibt keinen Deut auf Menschenrechte. Solange das so bleibt, sollte der Westen Israels privilegierte Behandlung aussetzen. Wer sonst auf der Welt leistet sich so etwas: Eine Flotte mit humanitären Gütern in internationalen Gewässern kapern. Menschen auf diesen Schiffen töten, die sich womöglich gegen die Angreifer verteidigten. Die übrigen Passagiere entführen. Die Rede ist nicht von einer Piratenbande, sondern von einem jahrzehntealten Freund der westlichen Gemeinschaft. Aber wer kann ein solches Israel noch ernsthaft als Rechtsstaat bezeichnen? (...)

Solange die Regierung konsequent Menschenrechte ignoriert, muss der Westen die Vorzugsbehandlung Israels auf Eis legen. Netanyahus Regierung verletzt systematisch die Würde der Araber. Sie kesselt Gaza ein, verbietet fast den gesamten Verkehr bis auf eine Grundversorgung. Selbst von den Kranken, die ärztliche Behandlung außerhalb des Streifens benötigen, dürfen nur wenige raus. (...) Israels Rechte begründet Menschenrechtsverletzungen oft mit dem ständigen Kriegszustand, in dem man sich befinde. Wenn Netanyahu und Lieberman ungestört weiter so machen dürfen wir bisher, bleibt der Nahe Osten auch in diesem Zustand."

  • "Süddeutsche Zeitung" (SZ) (München):

"Vorerst dürfte die neueste Krise dazu führen, dass Washington seinen Druck auf Israel erhöht. Die so tölpelhaft geplante wie brutal exekutierte Kaperung der Gaza-Flottille entsetzt auch viele Amerikaner. Die mächtige Pro-Israel-Lobby trommelt kräftig, aber junge US-Juden gehen mehr und mehr auf Distanz zu einem Zionismus, der seine eigenen, liberalen Ideale verrät. Selbst eher konservative Analysten beklagen, Premier Netanyahu fordere stets wie selbstverständlich Solidarität ein, nehme aber keinerlei Rücksicht auf die komplexen Interessen der westlichen Führungsnation in der Region. Macht Israel so weiter, wird es für Washington mehr und mehr zu 'strategischem Ballast'. So wie gerade jetzt in Sachen Iran." (APA)