Kopenhagen - Während sich nach dem Bohrloch-Unglück im Golf von Mexiko die schwerwiegendste Ölpest der Geschichte abzeichnet, bereiten Ölgesellschaften in den Gewässern Grönlands die Ausbeutung möglicher arktischer Erdölvorkommen vor. Wissenschafter und Umweltorganisationen schlagen Alarm: Das Risiko, dass es dort zu noch schlimmeren Umweltkatastrophen kommen könnte, ist sehr hoch, meint etwa der Ozeanograph Peter Wadhams von der Universität Cambridge. Er bezeichnet die schlicht als "Wahnwitz".

Die Interessenten

Die britische Cairn Energy will noch dieses Jahr mit zwei Probebohrungen in der Diskobucht an der grönländischen Westküste beginnen, wo der größte Teil der Erdölreserven in grönländischen Gewässern vermutet wird: 50 Milliarden Tonnen, so hofft man zumindest.

Die Bohrungen sind laut einem vergangene Woche in der dänischen Tageszeitung "Berlingske Tidende" veröffentlichten Bericht in der Nähe der umstrittenen Seegrenze zwischen Grönland und Kanada geplant. In den kommenden Wochen soll die grönländische Autonomieverwaltung endgültig Grünes Licht für die Bohrungen geben. Neben Cairn Energy hat unter anderem ein Konsortium unter Beteiligung der dänischen DONG sowie den beiden US-Erdölriesen Exxon und Chevron um Probebohrungen in grönländischen Gewässern angesucht.

Heftige Kritik

Peter Wadhams sagte dazu gegenüber "Berlingske Tidende": "Die Katastrophe im Golf von Mexiko sollte in jeder Hinsicht große Konsequenzen für die Prospektionspläne bei Grönland haben. Alles andere wäre Wahnwitz. In der Gegend kann man nur einige Sommermonate über bohren. (...) Bei einem 'Blowout' wie im Golf würde vor Grönland daher im schlimmsten Fall ein ganzes Jahr lang ungehindert Öl austreten, ohne dass auch nur im Geringsten eingegriffen werden könnte."

Massive Bedenken haben die grönländischen Pläne auch bei internationalen Umweltorganisationen sowie bei Politikern im benachbarten Kanada ausgelöst, das in der Baffin Bay, zu der auf der anderen Seite der Grenze auch die Disko-Bucht gehört, einen maritimen Nationalpark plant. Umweltminister Jim Prentice will das Thema bei einem Treffen der Arktis-Anrainerstaaten in diesem Monat auf die Tagesordnung bringen.

Die grönländische Autonomieregierung hat mit stillschweigendem Einverständnis der Mutternation Dänemark alle Einwände bisher unter Hinweis auf im internationalen Vergleich besonders strenge Umweltauflagen zurück gewiesen. Für die Verfechter einer vollständigen Unabhängigkeit von Dänemark wie die derzeit regierende Linkspartei Inuit Ataqatigiit stellt die Aussicht auf eigene Einkünfte aus Erdöl derzeit die einzig realistische Hoffnung auf volle Souveränität dar.

Kein Katastrophenmanagement

Dem World Wildlife Fund for Nature (WWF) zufolge sind die grönländischen Hinweise insofern bedeutungslos, als die Erdölgesellschaften das Risiko von Bohrungen in der Arktis bisher stets heruntergespielt hätten. Der Generalsekretär des WWF Norwegen, Rasmus Hansson, verwies darauf, dass die gegenwärtige Katastrophe im Golf von Mexiko in diesem Ausmaß passiert sei, obwohl es sich bei der verantwortlichen Nation, den USA, um eines der Länder mit den effektivsten Ressourcen zur Bekämpfung von solchen Katastrophen handelt.

In Grönland fehle die für die Bekämpfung einer Ölkatastrophe notwendige Infrastruktur dagegen völlig. "Bei allem Respekt für die grönländische Regierung, aber wer bitte soll glauben, dass sie ein Erdöl-Leck bekämpfen kann, wenn das nicht einmal die USA und die weltgrößte Erdöl-Gesellschaft können?" lautet sein vernichtendes Urteil. (APA)