Eine solche Begeisterung haben wohl nicht einmal die rot-grünen Erfinder des deutschen Präsidentschaftskandidaten Joachim Gauck für möglich gehalten. Kaum ist der ehemalige Pfarrer, DDR-Bürgerrechtler und Stasi-Aufklärer nominiert, da wird er schon von einer Woge der Zustimmung durch das Land getragen.

Offensichtlich herrscht in Deutschland eine große Sehnsucht nach Aufbruch, nach dem berühmten "Ruck", den der damalige Bundespräsident Roman Herzog schon 1997 einforderte und auf den viele immer noch warten.

Vier Jahre lang, von 2005 bis 2009, regierte eine große Koalition das Land. Jahre des Aufbruchs waren das nicht. Oft, viel zu oft, wurden Beschlüsse nach dem Motto gefasst: Der größtmögliche Konsens, den CDU/CSU und Sozialdemokraten zustande bringen, ist leider ein sehr kleiner.

Dann kam im Herbst 2009 der schwarz-gelbe Wechsel, er war als wundersame Wende angekündigt worden. Doch nichts wurde besser. Selten hatte eine Koalition so wenig das Wohl des Volkes und so sehr die eigene Parteitaktik im Blick. Den Tiefpunkt markierte jetzt die Nominierung des farblosen niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU) für die Bundespräsidentenwahl.

Nicht nur viele Bürger, auch so manche in Union und FDP träumen daher von einem Gauck-Signal. Vielleicht passiert bei der Präsidentenwahl eine große Überraschung. Es wäre nicht das Schlechteste für Deutschland. (Birgit Baumann/DER STANDARD, Printausgabe, 7.6.2010)