Wien/Traiskirchen - "Da scheint inzwischen eine Art paralleles Rechtssystem zu herrschen", sagt Alev Korun: Die Schwierigkeiten, die Rechtsberatern und Vertrauenspersonen derzeit gemacht würden, wenn sie Asylwerber und andere "Fremde" zu Asylverfahren- und Fremdenpolizeieinvernahmen begleiten wollen, sind laut der Grünen-Menschenrechtssprecherin eine "bedenkliche Entwicklung". Zumal das Asylgesetz in Paragraf 2 das Recht auf eine solche Begleitung explizit festlegt.

Vergangenen Mittwoch wurde die Nationalratsabgeordnete persönlich Zeugin eines diesbezüglicher Wortgefechts in der Polizeiinspektion (PI) Leopoldsgasse. Sie hatte Karin Klaric, Obfrau des Flüchtlingsberatungsvereins Purple Sheep begleitet, die mit einem obdachlosen, bei Ute Bock hauptgemeldeten Chinesen bei der PI vorsprach, damit dieser seiner seit Jänner bestehenden Registrierungspflicht (der Standard berichtete) nachkomme,

Die Polizisten zogen Kollegen von der Fremdenpolizei bei. Diese schritten zur Einvernahme des Chinesen - und wollten, so schildert Korun, Klaric trotz Vollmacht partout nicht mit dabei haben. Dabei hatte der Mann Beratung nötig: Bei der Computerdurchforstung hatte sich herausgestellt, dass sein Asylverfahren rechtskräftig negativ abgeschlossen ist, was er davor nicht gewusst hatte, aber automatisch eine Ausweisung zur Folge hat. Und: Wenn der Betroffene dabei als untergetaucht gilt, können Schubhaft und Abschiebung angeordnet werden, egal ob er Rechtsschritte setzt.

Meldeversuch nicht bestätigt 

Daraufhin, so die Politikerin, sei eineinhalb Stunden debattiert worden, ob Klaric zumindest eine Bestätigung bekomme, dass ihr Mandant zum Zweck der Registrierung bei der Polizei erschienen war - und damit nicht als untergetaucht gelten könne. Am Ende habe die Rechtsberaterin die PI mit einer Bestätigung der Festnahme des Mannes - weil dieser bislang nicht registriert war - verlassen. Der Chinese ist nach einem neuerlichen Asylantrag inzwischen übrigens wieder auf freiem Fuß und bei Ute Bock obdachlos gemeldet.

Für Korun herrscht indes "Erklärungsbedarf vonseiten der Innenministerin Maria Fekter". Sie will diese am Mittwoch im Innen-auschuss befragen. Denn ein Team der ORF-Sendung Heimat, fremde Heimat hat vergangene Woche mitgefilmt, wie auch in Traiskirchen Rechtsberaterinnen verweigert wurde, zu Einvernahmen mitzukommen. Im Ministerium hat Sprecher Rudolf Gollia eine Erklärung: "Es war ein Missverständnis. In der Erstaufnahmestelle glaubte man, der ORF wolle auch mit hinein." (Irene Brickner, DER STANDARD Printausgabe 7.6.2010)