Wien - Der Verein für Konsumenteninformation (VKI), der gegen den AWD wegen angeblicher systematischer Fehlberatung beim Verkauf von Immofinanz-Aktien den zweitgrößten Zivilprozess der Zweiten Republik angestrengt hat, zieht erneut gegen den Finanzberater vor Gericht. Diesmal geht es um die Vermittlung von Kommanditbeteiligungen an der Boden-Invest. In den 1990er Jahren hätten AWD-Berater Anleger mit dem Argument "Sicherheit von Immobilien" Bausparer zu riskanten Beteiligungen überredet und enorm geschädigt. Im Jahr 2005 schlossen dann das Konsumentenschutzministerium unter Herbert Haupt und der VKI mit dem AWD eine "Rahmenvereinbarung" - rund 500 Anleger bekamen den Großteil ihres eingesetzten Geldes zurück. Nun schalte der AWD aber plötzlich auf stur.

Bis vor wenigen Monaten hätten auch Nachzügler mit dem AWD durchaus noch Vereinbarungen erzielen können, so der VKI in einer Aussendung am Montag. Seit kurzem aber lehne der AWD - mit der neuen Eigentümerin Swiss Life - bei der Produktvariante "Victor" Schadenersatz ab.

Einer Anlegerin, die für ihre Kinder Geld auf die Seite legen wollte, sei im Jahr 1997 von einer AWD-Beraterin ein Ansparvertrag für Boden-Invest-"Victor" mit einer Laufzeit von zwölf Jahren empfohlen worden. Ein Betrag von 144.000 Schilling sollte in Raten von 1.000 Schilling angespart werden. Am Ende der Laufzeit im Herbst 2009 habe die Sparerin aber nur 83,12 Prozent ihrer Einlagen ausbezahlt bekommen - laut VKI ein "totaler Flopp für eine vermeintlich 'sichere und ertragreiche' Sparform".

Unterzeichnet, nicht gelesen

Der zum Schadenersatz aufgeforderte AWD habe auf sein Gesprächsprotokoll verwiesen, das die Anlegerin zwar unterzeichnet, aber nicht gelesen habe, weil es ihr als "reine Formalität" vorgelegt worden sei, wie VKI-Chefjurist Peter Kolba sagte. Der Finanzberater habe argumentiert, dass die Kundin ein höheres Risiko selbst gewollt habe. "Diese Verteidigungslinie kennen wir inzwischen zur Genüge", so Kolba. Der VKI hat daher einen Musterprozess gegen den AWD gestartet. Insgesamt sind dem VKI vier bis fünf Fälle bekannt, "wo sich herausgestellt hat, dass sie nicht mehr zahlen wollen", sagte der Konsumentenschützer.

In einem anderen Fall hat der AWD kürzlich eine weitere Schlappe vor Gericht hinnehmen müssen. Wie das "WirtschaftsBlatt" (Montag) berichtet, hat der Finanzberater einem Niederösterreicher 12.998 Anteile am hochriskanten "Herald Fund USA", einem Fonds des US-Milliardenbetrügers Bernard Madoff, verkauft, obwohl er im Anlegerprofil eine "geringe Risikobereitschaft" angegeben habe. Der AWD wurde - nicht rechtskräftig - zu Schadenersatz verurteilt. Der Finanzberater prüft, ob er in Berufung gehen will, die Causa sei ein Einzelfall, sagte ein Sprecher zur Zeitung. Am Handelsgericht (HG) Wien sind bereits über 500 Klagen gegen den AWD eingebracht worden, davon sind knapp 400 Verfahren offen. Hinzu kommen 159 Verfahren am Bezirksgericht für Handelssachen in Wien, wovon 101 Fälle offen sind. (APA)