Es geht um die Kontrolle über Bauern und Patente, argwöhnt der Alternativ-Nobelpreis-Träger, Percy Schmeiser.

Foto: Standard/Matthias Cremer

Der kanadische Farmer Percy Schmeiser kämpft gegen genmanipuliertes Saatgut. Ein Rebell war er nie, zur Galionsfigur ist er dennoch geworden. Branchenriese Monsanto beißt sich an ihm die Zähne aus. 

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Wien - Percy Schmeiser füllt Stadien und Festzelte. Zu Tausenden kommen Gegner der Gentechnik, um den kanadischen Farmer, der den Chemiekonzern Monsanto in die Knie gezwungen hat, sprechen zu hören. Mit missionarischen Eiferern hat der schmächtige 79-Jährige aber wenig gemein. Unaufgeregt und ruhig bringt er seine Argumente vor. An seiner Seite auch in Wien: seine gleichaltrige Frau Louise, mit der er seit zehn Jahren weltweit gegen gentechnisch verändertes Saatgut ins Felde zieht.

Er denke oft daran, wie schön es gewesen wäre, hätte einer Kanadas Bauern einst vorhersagen können, in welche Abhängigkeiten sie der Einsatz genmanipulierter Saat bringen werde. Künftig aber solle keiner mehr sagen dürfen, er habe es nicht gewusst, sagte Schmeiser vor Journalisten im Rahmen einer Vortragsreise nach Österreich.

Ein geborener Rebell war er nie. Als Landwirt in dritter Generation baute er fast 60 Jahre lang Raps an und zog fünf Kinder groß. Nebenbei war er Bürgermeister der kleinen Gemeinde Bruno mit 600 Einwohnern - und für die Liberalen Abgeordneter im Parlament von Saskatchewan. Dann trug es sich zu, dass seine Felder durch Wind und Pollenflug mit gentechnisch manipuliertem Saatgut kontaminiert wurden. Ihr Züchter, Branchenriese Monsanto, beanspruchte Teile der Ernte und klagte ihn auf Patentrechtsverletzung.

Doch Schmeiser setzte sich zur Wehr und gab auch der massiven Forderung nach Schweigepflicht nicht nach. Im Zuge des jahrelangen Rechtsstreits wurde er zur Galionsfigur der globalen Gentechnik-Kritiker. 2007 erhielten seine Frau und er den Alternativen Nobelpreis. Aus dem Vorsatz der geruhsamen Pension wurde nichts.

Seine Botschaft ist auch in Wien unmissverständlich: Die Gentechnik in der Landwirtschaft sei nie vorangetrieben worden, um Hunger zu bekämpfen. Sie diene lediglich dazu, um Kontrolle über Patente und Bauern zu gewinnen.

Es sei eine scheinheilige Debatte, beschied SP-Umweltstadträtin Ulli Sima, die Schmeiser ins Rathaus geladen hatte. Hunger basiere auf Verteilungsproblemen, die Gentechnik habe bisher nichts zur Verbesserung beigetragen. "Arme Landwirte wehren sich gegen sie", fügte Werner Müller von Global 2000 hinzu. Nahrungsmittel seien dadurch noch stärker mit Spritzmitteln belastet, keiner wisse, wie sich ausgebrachte Gene aus der Natur wieder entfernen ließen.

Friedliches Nebeneinander von Gentechnik mit Bio-Landbau gebe es nicht, ist Schmeiser überzeugt. Seinen in Monsanto-Äcker eingebetteten Feldern nutzten alle Abstände nichts. Mittlerweile ließe sich Raps in ganz Kanada nicht mehr biologisch anbauen. Genmanipulierte Saat verbleibe nicht bei einer Pflanze, sie lande in der gesamten Nahrungsmittelkette. Und keiner wolle für die Kontaminierung zahlen, sagt Schmeiser. Seine Großeltern seien von Europa einst der Freiheit wegen nach Kanada ausgewandert. Doch heute verbreiteten Konzerne unter Farmern eine neue Kultur der Angst. (Verena Kainrath, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8.6.2010)