Moskau - Der russischen Regierung laufen die Kosten für die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi aus dem Ruder. Nach Angaben aus dem Ministerium für Regionalentwicklung wird derzeit mit Kosten in Höhe von 950 Milliarden Rubel (rund 25 Milliarden Euro) gerechnet.

Experten schätzen laut der russischen Tageszeitung Nesawissimaja Gaseta, dass die Ausgaben bis auf rund 33 Milliarden Euro anwachsen könnten. Bei den vergangenen Winterspielen in Turin, Salt Lake City und Vancouver betrug das Budget 1,5 bis drei Milliarden US-Dollar. In Sotschi war ursprünglich ein Budget von rund zehn Milliarden Euro geplant gewesen.

Die Kostenexplosion ist laut russischen Medien vor allem auf den Korruptionssumpf in Russland, die schlechte Qualität der Auftragnehmer sowie den ungeeigneten Standort zurückzuführen. "Die Korruption hat den Olympischen Rekord aufgestellt", titelte die Nesawissimaja Gaseta.

Erst vor kurzem hat der russische Bauunternehmer Walerij Morosow in einem Interview mit der britischen Zeitung The Sunday Times über die Geschäftspraktiken in Sotschi ausgepackt. "Das Schmiergeld wird wie eine Korruptionssteuer wahrgenommen", sagte der Geschäftsmann. Morosow musste einem hochrangigen Beamten fünf Millionen US-Dollar zahlen, um den Auftrag für die Errichtung eines Luxuswohngebäudes zu erhalten.

Die Geldübergabe hielt der Geschäftsmann jedoch auf Video fest und schaltete die Miliz ein. Morosow verlor den Auftrag und flüchtete nach Großbritannien. "Wenn die Information, über die ich verfüge, in Russland bleibt, droht mir große Gefahr", sagte er. Trotz der Schwierigkeiten lobte der Chef des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) Jaques Rogge bei seinem Besuch in Sotschi den Fortschritt der Vorbereitungsarbeiten. Montagabend wird der IOC-Chef auch mit dem russischen Premierminister Wladimir Putin zusammentreffen.

Ob sich Putin auch Zeit für die Anliegen der Bewohner der Imeretinskaja-Bucht nehmen wird, ist unbekannt. Bereits seit 19 Tagen befinden sich sechs Menschen, deren Häusern olympischen Bauten weichen sollen, im Hungerstreik.

Sie protestieren gegen die geringe Abfindung von umgerechnet rund 370 Euro pro Quadratmeter. Für die Übersiedlung in ein neues, gleichwertiges Haus müssen die Betroffenen laut Oppositionspolitiker Boris Nemzow zudem 50.000 Euro bis 100.000 Euro zahlen.(Verena Diethelm aus Moskau, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8.6.2010)