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Hans Dichand.

Foto: APA/Pfarrhofer

Unter nichts ächzen die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes mehr als unter der Last der Besteuerung. Und nichts ersehnen sie mehr als tiefschürfende Antworten auf die letzten Fragen, wie mit dieser Last am schonendsten umzugehen sei. Sie zu liefern, machte sich am Wochenende die "Kronen Zeitung" zu einer Aufgabe, für deren Erfüllung sie den von einer ruchlosen Politik Ausgepressten aus dem Schweiße ihrer edelsten Mitarbeiter ein Wechselbad bereitete, das jedem Bademeister zur Ehre gereichte.

Als solcher sorgte zunächst am Freitag in der bunten Beilage "Live" der Herausgeber persönlich mit der aufrüttelnden Parole "Wer den Staat betrügt, betrügt uns alle" für den heißen Guss. Wer sich davon aufgerüttelt, weil betroffen fühlte, erfuhr zwei Tage später in der bunten "Krone" kühlende Linderung von Frank Stronach: Steuersystem - keine Angst vor Steuerprüfungen. Frei von der depressiven Grundstimmung seines journalistischen Förderers wollte er im Bürger lieber das Positive sehen. Häufig fürchten sich Firmen oder Bürger vor Steuerprüfungen durch das Finanzamt. Natürlich gibt es Leute, die sich nicht an die Gesetze halten und hoffen, nicht erwischt zu werden. Aber die meisten haben nichts zu verbergen und sind deshalb verunsichert, weil es komplizierte, schwer durchschaubare Regelungen gibt. Dies kann nicht sein. 

Da es merkwürdigerweise dennoch so ist, konnte Dichands Antwort auf die Frage, ob es angesichts neuer Steuern eine Verteilungsgerechtigkeit geben kann, und wie sie aussehen würde, nur traurig stimmen: Es müsste überhaupt eine Gerechtigkeit für unser Leben geben, aber heute sind wir in einer allgemeinen Lage, in der wir die Politik, wie wir sie heute spüren, ablehnen müssen. Sie ist schlecht, und deshalb soll man ihr auch kein Geld geben. 

Ein Vorschlag, der von Leuten, die sich nicht an die Gesetze halten und hoffen, nicht erwischt zu werden, immer praktiziert wurde, ohne dass überhaupt eine Gerechtigkeit für unser Leben spürbar geworden wäre. Und der zweifellos auch vom Rest der Bevölkerung mit Begeisterung aufgegriffen würde, hätte Dichand uns nur nicht die Durchführungsbestimmungen vorenthalten. Statt dessen wich er aus ins Utopische: So müssen wir die Länderparlamente und Länderregierungen verkleinern. Daneben wirkt der Ruf Wir wollen eine ehrliche Politik direkt bescheiden. 

Zumindest so ehrlich wie die Politik der "Kronen Zeitung" in Sachen Europäische Union sollte sie sein. Denn leider gibt es nicht nur die Cato-Bevormundung der Politiker, dazu kommt auch noch die immer stärker werdende EU-Bevormundung. Zwar wollten wir immer ein Europa der Vaterländer sein - das wollten WIR? -, aber was wir geworden sind, ist ein Europa der Spekulanten, der Bankpleiten und Korruptionen. Darin ist das hiesige Vaterland freilich nicht auf Europa angewiesen, daher: Wer den Staat betrügt, betrügt uns alle. So lassen wir es zu, dass wir rundum betrogen werden. Wir sind in einer argen Krise, sagt man, und das ist wohl auch so. Wenn man's sagt! 

Jetzt bloß keine Panik, er - wir! - hat die Lösung. Nur wir, das Volk, können einen Ausweg finden. Dazu eine gute Frage - warum tun wir es nicht? Wir müssen einen Anfang machen, und was das heißt, ist einfach: Das heißt, wir müssen wieder eine Demokratie werden. Eben so eine, wie sie ihm vorschwebt, nicht so eine, in der wir die Politik, wie wir sie heute spüren, ablehnen müssen.

Wir müssen einen Anfang machen - das lässt sich ein Frank Stronach nicht zweimal sagen. Meint er einmal, dies kann nicht sein, dann geht es diesem Nichtseienden radikal an den Kragen. Um das erste Ziel, die Senkung der Steuern, zu erreichen, könnte ich mir vorstellen, dass wir ein Bürgerkomitee bilden, das aus erfahrenen und möglichst unabhängigen Vertretern aus wichtigen Bereichen besteht - also etwa Gewerbetreibende, Unternehmer, Experten für Sicherheit, Ausbildung, Umwelt usw. Dieses Komitee sollte Vorschläge entwickeln, wie man die Kosten der Verwaltung in Österreich reduzieren könnte, ohne die Standards in wichtigen Bereichen zu gefährden. Ich bin davon überzeugt, dass durch diesen neutralen Blick eine Reihe guter Vorschläge entwickelt werden könnte. Eine Art Arbeitskreis? 

Hätte der gute Frank die "Krone" vom Freitag gelesen, dann hätte er begriffen, dass ein unabhängigeres Bürgerkomitee als deren Herausgeber in diesem Land unvorstellbar und jede zusätzliche Gründung überflüssig ist. Wir müssen nur wieder eine Demokratie werden. (Günter Traxler/DER STANDARD; Printausgabe, 8.6.2010)