Ankara - Die von der regierenden islamisch-konservativen AKP (Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei) von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan initiierte Verfassungsreform in der Türkei wird noch vor dem Referendum am 12. September vor das Höchstgericht kommen. Der Verfassungsgerichtshof hat am Dienstag eine Klage der kemalistischen Opposition gegen den Regierungsentwurf angenommen. Die Republikanische Volkspartei (CHP) unter ihrem neuen Vorsitzenden Kemal Kilicdaroglu hatte das Verfassungsgericht angerufen, weil nach ihrem Dafürhalten die AKP-Reform rechtswidrig ist.
Erdogan will mit der Änderung der Verfassung, die 1982 unter der Militärdiktatur erlassen worden war, Parteienverbote erschweren, die Macht der Streitkräfte reduzieren, die Vollmachten des Parlaments stärken und Bürgerrechte ausbauen. Insgesamt sollen 27 Artikeln geändert werden. Die CHP kritisiert, dass gerade die Macht von Staatsorganen beschnitten werden soll, die sich dem AKP-Einfluss weitgehend entziehen. Die AKP war vor zwei Jahren nur knapp einer Auflösung durch den Verfassungsgerichtshof entgangen. Ihr wurde vorgeworfen, die Trennung von Staat und Religion zu untergraben.
Mit der Verfassungsreform will Erdogan auch Prozesse gegen führende Angehörige der Streitkräfte erleichtern. Gegenwärtig sind Dutzende von Offizieren angeklagt, eine Verschwörung zum Sturz der Regierung geplant zu haben. Die türkische Armee hatte 1960, 1971, 1980 und 1997 in die Politik eingegriffen und zweimal - 1960 unter General Cemal Gürsel und 1980 unter General Kenan Evren - direkt die Macht übernommen. 1997 hatte das Militär den Rücktritt des religiös orientierten Premierministers Necmettin Erbakan erzwungen, der mit politischem Betätigungsverbot belegt wurde. Erbakans Wohlfahrtspartei (Refah) war Vorläuferin der AKP. (APA/dpa)