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"Durchs Reden kommen die richtigen Bauteile für ein Seniorenhandy z'samm." Produktdesigner, die ein Holzhandy mit großen Tasten für skandinavische Senioren bauen, haben nie mit der Zielgruppe geredet.

Foto: AP/Fabian Bimmer

... erklärt ein seltener Vertreter dieser Zunft jungen Kreativen in Österreich

Warum die Austria Wirtschaftsservice Jungunternehmern in der Kreativwirtschaft ausgerechnet mit Kreativität aushelfen kann, ist schnell erklärt: Am Anfang ist es oft recht schwer zu ersinnen, wie aus der guten Idee noch bessere Produkte werden. Vor allem dann, wenn – so wie auch kommendes Wochenende bei den "Workshops for Entrepreneurs" (siehe Wissen unten) – gar von Berufsfeldern die Rede sein wird, die in Österreich praktisch nicht existieren.

Was genau der Grazer Designer Michael Tropper seit neun Jahren in London macht, können junge Kreative aus Österreich tatsächlich weder im Studium noch aus der späteren Berufspraxis erfahren: Designforschung wird hier kaum gelehrt, und sie gilt als Disziplin, deren Notwendigkeit noch verkannt wird. So sahen das jedenfalls die Studenten der Fachhochschule Graz, die Tropper erst vor kurzem in seinem Londoner Studio besuchten. Tropper selbst relativiert aber gleich wieder: "Eigentlich ist das gar nichts Besonderes, in erster Linie bin ich natürlich Produktdesigner."

Benutzer als Auftraggeber

Fakt ist, dass Tropper und seine Kompagnons mit der Agentur "For People" in der Hochburg für Designforschung sitzen: Bereits 1966 wurde in London die Design Research Society gegründet, etwa zeitgleich in Manchester das ähnlich ausgerichtete Design Research Laboratory. Was Designforscher tun, erklärt kurz und gut der Agenturname: Letztlich im Auftrag der Menschen, also der Benutzer, wird ergründet, wie Produkte zu deren Zufriedenheit beschaffen sein müssen.

Dass diese Aufgabe ein gewöhnlicher Produktdesigner nicht auch erfüllen könnte, glaubt aber nicht einmal Tropper selbst. Allerdings wollen renommierte Kunden – und solche hat die Agentur mittlerweile sonder Zahl – "Designentscheidungen nunmehr logisch absichern" , so Tropper. Die Tätigkeit des Designforschers beschreibt er wieder mit britischem Understatement – weil sowohl der methodische Zugang als auch dessen Aneignung tatsächlich simpel ist: Tropper und seine Kollegen fahren in halb Europa herum und treffen potenzielle Benutzer, die sie in dreistündigen, qualitativen Interviews ausquetschen. Der Fragenkatalog wird dabei mit Soziologen und Ethnologen erarbeitet und ausgewertet. Zusätzlich beschäftigt die Agentur sogar einen Anthropologen als Freelancer, der 13 Jahre lang für einen großen Handyhersteller tätig war und dadurch auch Experte für soziale Trends geworden ist.

Tropper sei es jedoch als Designforscher, der sich gut mit Unterhaltungselektronik auskennt, bisher nicht gelungen, Behauptungen à la "Der Bulgare braucht einen anderen DVD-Player als die Schwedin" aufzustellen. Wiewohl Skandinavien auch für diesen Produktdesginer eine Sonderstellung in Europa einnimmt: "Klar ist nordisches Design puristischer, aber historisch gesehen hat das eher damit zu tun, dass dort außer Holz nur wenig andere Werkstoffe zur Verfügung standen." Eine Stadt-Land-Diskrepanz in Europa lasse sich aber sehr wohl aus den Interviews herauslesen – die Bedürfnisse aller Städter sind ähnlicher als jene innerhalb einer Nation.

Neue Machbarkeitsstudien

Müsste er eine zentrale Erkenntnis der Ergebnisse seiner Interviews formulieren, so könne es nur jene sein, dass der Benutzer leicht bei Entscheidungen der Hersteller ins Hintertreffen gerät, wenn immer all das umgesetzt wird, was aus technologischer Sicht schon machbar ist. Die größten Überraschungen im Rahmen der Interviews bescherten ihm aber stets Pensionisten: "Europas Senioren sind echte Technologiefanatiker" , glaubt Tropper nun sagen zu können. Anhand ihrer Aussagen – "wir wollen jetzt alles ausprobieren, was gut, teuer und stylish ist" – lässt sich am besten der Nutzen der Designforschung beschreiben: Der Produktdesigner geht beim Designforscher in Supervision und erkennt dadurch, welche Fehlentscheidungen er ohne den direkten Kontakt zum Benutzer trifft. Oder anders ausgedrückt: Bei allem, was der Produktdesigner über "die Skandinavier" und "die Senioren" zu wissen glaubt, müsste ein schwedischer Pensionist faktisch auf ein Holzhandy mit übergroßen Tasten abfahren. "Tut er aber nicht" , sagt ihm der Designforscher, der tatsächlich einmal mit dem betroffenen Personenkreis geredet hat.

"Consumer-Journey" , nennt sich dieses Begleiten der Benutzer – als Trend, bei dem vermehrt Designer und seltener Marketingabteilungen mit Benutzern reden, lässt sich diese Reise übersetzen. (Sascha Aumüller/DER STANDARD, Printausgabe, 09.06.2010)