Wien - Eine 42-Jährige geht über den Schutzweg, ein Lkw-Lenker biegt links ab - die Frau wird lebensgefährlich verletzt. Eine 84-Jährige geht über den Schutzweg, wird von den rechten hinteren Rädern eines Lkws erfasst - die Frau stirbt. Ein Achtjähriger geht über den von einem Schülerlotsen gesicherten Schutzweg, ein Pkw-Lenker bremst nicht - das Kind stirbt. Drei Fälle aus Graz, Salzburg und Wien der vergangenen drei Wochen zeigen, dass das Unfallrisiko auf dem "Zebrastreifen" nicht von Alter oder Ort abhängt.
Der Direktor des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (KfV), Othmar Thann glaubt, eine Lösung gefunden zu haben: Private Radarmessungen. Im Interview mit dem Radiosender Ö1 sagt er, es gehe ihm nicht um "Abzocke", sondern um die besondere Sicherung etwa vor Schulen und Altenheimen. In Wien soll im September ein Pilotversuch starten: Drei Kameras überwachen einen Schutzweg, sie sollen erkennen können, ob ein Fußgänger queren will, und sollen auch das Pkw-Tempo messen. Geplant ist, die Daten dann direkt an die Polizei zu übermitteln, sagt Polizeisprecherin Camellia Anssari.
Doch nicht nur überhöhte Geschwindigkeit ist ein Sicherheitsproblem. Wahrnehmungsschwierigkeiten, unscharfe Gesetze und schlichtes Ignorieren kommen dazu. 1167 Passanten wurden im Vorjahr auf Schutzwegen verletzt oder getötet, in 746 Fällen ereignete sich der Unfall auf einem ungeregelten Zebrastreifen.
An der Gestaltung der Querungen liegt es nicht, weiß Klaus Robatsch von KfV. Zwischen 2004 und 2006 wurden in Graz auf mehreren Dutzend Zebrastreifen verschiedene Varianten getestet. Blinkende Warnleuchten, Quer- statt Längsbalken, andere Farben. "Es hat nicht wirklich was gebracht", resümiert der Fachmann. Bei manchen habe sich die Erkennbarkeit sogar verschlechtert. Es sei auch die Frage, ob nicht erneut ein Gewöhnungseffekt eintritt, selbst wenn alle Querungen neugestaltet werden würden.
Viel wichtiger sei, dass die Richtlinien für die Errichtung der Passierwege eingehalten würden. "Oft wird unter politischem Druck ein Schutzweg beschlossen, bei dem beispielsweise die Sichtweiten nicht stimmen. Sind 50 Kilometer pro Stunde erlaubt, muss der Autolenker mindestens 45 Meter weit freie Sicht haben", sagt Robatsch.
Denn die Straßenverkehrsordnung schreibt den Lenkern vor, dass sie vor einem Fußgänger, der sich auf einem Schutzweg befindet oder diesen "erkennbar benützen will" anhalten müssen. Das Problem ist hier die Definition des "erkennbaren Benützens". Reicht es, sich auf den Schutzweg zuzubewegen oder muss man schon an der Gehsteigkante stehen. Robatsch plädiert hier für eine Präzisierung.
Allerdings: "Vier von zehn Lenkern halten generell nicht vor Schutzwegen, da muss die Bewusstseinsbildung einfach verstärkt werden", meint Robatsch. Von der Polizei wird das Delikt nämlich kaum geahndet - obwohl es sogar im "Punkteführerschein" verankert ist. In den ersten dreieinhalb Jahren des Systems gab es nur 2141 Vormerkungen wegen Gefährdung am Schutzweg. Zum Vergleich: Falsche Kindersicherung wurde 26.254-mal registriert. (Michael Möseneder/DER STANDARD, Printausgabe, 9. Juni 2010)