Venice/Washington - Das im Golf von Mexiko austretende Öl hat nun auch die Küste von Florida erreicht. Medien berichten von Urlaubern, die ein "klebriges Gefühl" beim Baden spürten und von tausenden Helfern, die Teerklumpen aufklauben und Ölsperren errichten. Der "Sunshine State" mit seinen sonst weißen Sandstränden fürchtet um sein Image als Feriendomizil. Verärgert sind nicht nur die Leute vor Ort, auch Barack Obama fand für das Desaster drastische Worte: Er wolle wissen, wem er wegen der Ölpest "in den Arsch treten" müsse, sagte der US-Präsident in einem Interview des TV-Senders NBC.

Zahlreiche Menschen haben ihren Sündenbock bereits ausgemacht: Auf vielfältige Art und Weise wird das BP-Logo im Netz von aufgebrachten Menschen verfremdet. Unter der grüngelben Zackensonne samt Firmeninitialen prangt zum Beispiel der "Slogan": "We're bringing oil to American shores" ("Wir bringen Öl zu den Amerikanischen Küsten"). Auf Facebook bekundeten bis Dienstag 455.000 User ihre Sympathie mit der Initiative "Boycott BP". Anderswo heißt es unter dem Firmenemblem: "Seid froh, dass wir keine Atomkraftwerke bauen."

Öl ins Feuer der Protestbewegung dürfte auch ein in der Nacht auf Dienstag auf der Webseite der Washington Post veröffentlichter Artikel gießen. Darin erheben zwei Journalisten schwere Vorwürfe gegen den Konzern - das erste Mal in dieser Ausführlichkeit seit Explosion der Ölplattform "Deepwater Horizon" im Golf von Mexiko im April.

Dem Bericht nach habe "eine Reihe interner Untersuchungen" zwischen 2001 und 2007, die sich auf Ölbohrungen in Alaska bezogen, Spitzenmanager des Konzerns vor Missständen gewarnt. Besorgte Angestellte sollen diese Untersuchungsberichte den Journalisten zukommen haben lassen.

Diese zeigten, dass BP-Manager die Überalterung von Equipment missachtet und Angestellte unter Druck gesetzt hätten, Probleme nicht zu berichten sowie Inspektionen verkürzt oder verschoben hätten, um Kosten zu sparen. Aussagen ehemaliger Angestellter vor Gericht oder im Rahmen "kaum beachteter" öffentlicher Anhörungen ergäben ein ähnliches Bild in Kalifornien und Texas.

Zwischenfälle gab es bei BP in den vergangenen Jahren mehrere, darunter die Explosion einer Plattform im Jahr 2005, bei der 15 Menschen starben. Der Washington Post zufolge hat das US-amerikanische Umweltdepartment daher schon vor der Explosion der "Deepwater Horizon" eine Prüfung eingeleitet, um über die Bewilligung neuer Bohrungen zu entscheiden. Diese Untersuchung laufe nach wie vor.

Nach Angaben des Ölkonzerns seien nach den internen Untersuchungen weltweit die Sicherheitssysteme überarbeitet worden. Als Tony Hayward 2007 Konzernchef wurde, habe er diese Erneuerung zur obersten Priorität erklärt. Der Vorwurf, Mitarbeiter eingeschüchtert zu haben, wurde als "haltlos" bezeichnet. (Gudrun Springer/DER STANDARD, Printausgabe, 9. Juni 2010)