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Foto: APA/ epa/ Patrick Hertzog

Wien/Graz/Algier - "Alles ist möglich." Bei den österreichischen Behörden galt Dienstag weiterhin äußerste Vorsicht bei Auskünften zum Fall der in der algerischen Sahara vermissten Touristen. Die Feststellung des niederländischen Außenamtes, dass es sich definitiv um eine Entführung handle, könne man weder bestätigen noch dementieren.

Tatsächlich dürften sich die Ermittlungen in der Wüste in einer entscheidenden Phase befinden. Wohin die insgesamt 31 verschwundenen Touristen, zehn davon aus Österreich, verschleppt wurden, unterlag höchster Geheimhaltung. Nicht einmal die Stelle, an der vor einer Woche eine versteckte Nachricht der acht verschollenen Salzburger gefunden worden war, wurde preisgegeben. Dienstag kursierten Spekulationen über eine mögliche Befreiungsaktion des algerischen Militärs. In der fraglichen Gegend im Südosten von Algerien sind 6000 Soldaten im Einsatz.

Plausible Entführungsvariante

Der Grazer Tourismusforscher und Kenner des Grenzgebietes von Algerien und Niger, Harald Friedl, hält die Entführungsvariante "für die plausibelste". Dafür spreche, dass bisher nur deutschsprachige Touristen entführt worden seien. Möglicher Hintergrund: In Frankfurt am Main sei bis März ein Prozess gegen vier algerische Terroristen gelaufen, just am Tag der Plädoyers im Februar seien die ersten Sahara-Reisenden verschwunden.

In dem Prozess ging es um einen geplanten Anschlag auf den Straßburger Weihnachtsmarkt im Jahr 2000. Einer der Männer soll laut einem Zeugen mit einem Islamisten in London in Verbindung gestanden sein. Dieser habe versichert, dass die Gruppe im Falle einer Verhaftung freigepresst würde. In dem Prozess waren am 10. März dieses Jahres langjährige Freiheitsstrafen verhängt worden.

Abhörsichere Leitung

Friedl sieht auch noch andere Indizien für einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Frankfurter Prozess und dem Verschwinden der Touristen. So zum Beispiel den Flug des deutschen Innenministers Otto Schily nach Algier. "Normalerweise ist so etwas eine Angelegenheit des Außenamtes", meint Friedl. Außerdem sei eine abhörsichere Leitung zwischen der deutschen Botschaft in Algier und Berlin verlegt worden, "wie man sie bei geheimen Verhandlungen im Entführungsfall braucht", so der Grazer. Weder im heimischen Innen- noch Außenministerium wurde Friedls These bestätigt.

Dass Tuareg die Sahara-Touristen entführt haben, hält Friedl für wenig wahrscheinlich. Aber auch hier gebe es unterschiedliche Ethnien mit unterschiedlichen Einstellungen. Speziell die jüngeren Tuareg hätten bisweilen mit den traditionellen Werten "nichts mehr am Hut". Dass Schmuggler den Touristen etwas angetan hätten, bezweifelt Friedl: "Die benützen Routen abseits jener der Touristen und wollen ja nicht auffallen." (APA, simo, DER STANDARD Perintausgabe 16.4.2003)