Überraschend Konsens erzielt haben die Staats- und Regierungschefs der (noch) EU-15 in einer hoch umstrittenen Frage. Auch wenn es vorerst nur ein Grundkonsens ist und an den Details gearbeitet werden muss. Nach den endlosen Streitereien um die gemeinsame Außenpolitik, die in der Irakfrage ihren Höhepunkt erreicht haben, ist die prinzipielle Einigung auf einen gemeinsamen Außenminister der EU immerhin als kleiner Fortschritt der europäischen Integration zu werten.

Der künftige EU-Außenvertreter, der in Personalunion die Ämter des bisherigen EU-Außenbeauftragten und des EU-Außenkommissars wahrnehmen soll, könnte dafür sorgen, dass Europa künftig mit einer Stimme spricht. Ob die nun andiskutierte Konstruktion die Ideallösung ist, darf hingegen bezweifelt werden. Wenn "Europas Stimme" sowohl dem Rat, also den Staats- und Regierungschefs der EU, als auch der Kommission untersteht, ergeben sich zwei Möglichkeiten: Entweder der künftige EU-Außenminister ist hochgradig schizophren oder nicht wirklich durchschlagskräftig. Womit gerade auf dem Feld der Außenpolitik kein Staat zu machen ist.

Die Grundfrage nicht nur in diesem wichtigen Politikfeld lautet, ob die Staats- und Regierungschefs bereit sind, auf einen Teil ihres Einflusses zu verzichten. Gelegenheit zum Offenbarungseid werden sie in nicht allzu ferner Zukunft haben, wenn die Regierungskonferenz über die vom EU-Konvent vorgelegte Verfassung zu befinden hat. Dass es dazu allerdings noch immer nicht genügend Bereitschaft gibt, zeigt der schwelende Streit um den Ratspräsidenten, wie er im deutsch-französischen Vorschlag zur EU-Reform vorgesehen ist und der auf erbitterten Widerstand seitens der kleinen und mittleren Länder stößt. Zu Recht, denn gerade die erweiterte Union wird nur dann funktionieren, wenn sie sich nicht von Gruppen - seien sie groß oder klein - dominieren lässt. (DER STANDARD, Printausgabe, 17.4.2003)