Berlin - Die Plünderungen im irakischen Nationalmuseum in Bagdad bedrohen nicht nur Kunstschätze, sondern auch zahlreiche, unwiederbringliche Keilschrift-Zeugnisse aus Alt-Mesopotamien. Hans Jörg Nissen, Emeritus für Vorderasiatische Archäologie an der FU Berlin, sagte der Tageszeitung "Die Welt", das Museum nenne neben zahlreichen Inschriften auf Stein auch eine der weltgrößten Sammlungen an Tontafeln sein Eigen. Die bis zu 40.000 Stücke seien nur mit dem Bestand des Britischen Museums in London vergleichbar.

Texte wohl verloren

Er habe zwar noch keinen Kontakt zu seinen Kollegen in Bagdad herstellen können, befürchte aber auf Grund der Fernsehbilder, dass seine gegenwärtigen Forschungsprojekte, die dort ausgestellten Tafeln, Opfer von Plünderern oder Zerstörern geworden seien. "Es handelt sich um die ältesten Schriftzeugnisse Mesopotamiens, entstanden in der Zeit von 3000. v. Chr., also aus altsumerischer Zeit. Ich denke, dass diese Texte auf jeden Fall verloren sind."

Unvorstellbarer Verlust

Die mit Keilschrift beschriebenen Tafeln seien wahrscheinlich erst zu zehn Prozent in die Forschung eingegangen, sagte Nissen. Der Zugang für ausländische Forscher sei unter dem Regime von Saddam Hussein nur eingeschränkt möglich gewesen, "in der Regel war es aber möglich, nach Ankündigung an die gewünschten Tafeln heranzukommen."

Die Tafeln lagerten im Magazin des Museums: "Darin waren Regale bis unter die Decke mit Schachteln und Kisten, angefüllt mit Tontafeln." Wenn neben den Vitrinen auch die Magazine zerstört worden sein sollten, "stehen wir vor einem unvorstellbaren Verlust schriftlicher Erinnerung". (APA/dpa)