Wien - Genau einen Tag dauerte die von der SPÖ initiierte Debatte um die Schließung kleiner Spitäler. Das rote Parteipräsidium beschloss am Mittwochnachmittag einen Leitantrag für den Parteitag am Freitag, der genau das Gegenteil dessen zum Inhalt hat, was Staatssekretär Andreas Schieder und Bundeskanzler Werner Faymann noch am Dienstag vorgeschlagen hatten: kleinere Krankenhäuser zu schließen, um stattdessen Arztpraxen und Pflegeeinrichtungen auszubauen.

Die beiden stützen sich auf einen Bericht zur Gesundheitsreform, den die eingesetzte Arbeitsgruppe der Regierung am Mittwoch vorlegte. Während Investitionen in die Pflege fehlten, analysieren die Experten, leiste sich Österreich überdurchschnittlich viele teure Spitalsakutbetten - um 70 Prozent mehr als im EU-Durchschnitt. Außerdem verfügten 81 von 130 Spitälern über weniger als 300 Betten und seien so weniger effizient als großeInstitutionen.

"Bärendienst aus Wien"

Der Protest aus den Ländern ließ nicht lange auf sich warten. Einen "Bärendienst aus Wien" beklagt etwa Steiermarks Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ), dem im September Landtagswahlen bevorstehen. Oberösterreichs SPÖ-Chef Josef Ackerl schimpfte: Einen "neoliberalen Zusperrkurs" trage er nicht mit. Es handle sich im Übrigen bloß um "Einzelmeinungen von Finanzstaatssekretär und Bundeskanzler".

Letzterer änderte seine Meinung prompt wieder: Der Leitantrag gegen die Spitälerschließungen sei seine Idee gewesen, sagte Faymann nach dem Präsidium. Schließungen könne er dennoch nicht für alle Zeiten ausschließen. Voves wertet den Beschluss wiederum als "Erfolg für mich".

Auch Schieder und sein ÖVP- Pendant im Finanzministerium, Reinhold Lopatka, äußerten sich am Mittwoch vorsichtig: Vorrangig wollen sie Kooperationen und Schwerpunktbildungen zwischen Spitälern forcieren. Dass alle 81 Spitäler mit weniger als 300 Betten geschlossen werden sollen, schlossen sie aber dezidiert aus.

Schieder fühlte sich von seiner Partei auch nicht im Regen stehen gelassen, beteuerte er im Gespräch mit dem Standard. Vielmehr habe er Verständnis für den Leitantrag, der eine Art Notwehr gegen die "Verunsicherungsstrategie der ÖVP" sei, die seine Aussagen "missbraucht" habe. "Es gibt keine Schließungslisten." Ihm gehe es um Effizienzsteigerungen und Synergien, die müssten nicht räumlicher, sondern könnten auch organisatorischer Natur sein. Schieder: "Das setzt natürlich voraus, dass wir mehr medizinisches Angebot im niedergelassenen Bereich brauchen."

Wo das Geld falsch ausgegeben wird, erklärt Rechnungshofchef Josef Moser an einem Beispiel: Quer durch alle Spitäler lägen Pflegepatienten in den teuren Akutbetten, die das volle medizinische Programm nicht benötigten und in Pflegeheimen besser und günstiger untergebracht wären. Da Letztere erst geschaffen werden müssten, warnt er vor einem Trugschluss: "Man darf nicht glauben, dass im Gesundheitssystem insgesamt gespart werden kann. Es geht um Umschichtung."

Womit schon die roten Landespolitiker keine Freude haben, das bringt die schwarzen zur Weißglut - besonders Niederösterreichs Finanzlandesrat Wolfgang Sobotka: Warum man "diese Diskussion diesen Dilettanten überlässt", fragt er sich.

Durch derart "unreflektierte Wünsche" werde jede sachliche Diskussion zerstört. In Niederösterreich, betont der Landeshauptmann-Vize, "werden wir nicht einen einzigen Standort schließen. Wir haben ja schon längst alles umstrukturiert." So sei etwa im Waldviertel nicht jeder Standort ein eigenes Haus. Gmünd, Zwettl und Waidhofen an der Thaya habe man (organisatorisch) zusammengelegt.

Die Zahl der Krankenhäuser obliegt nicht (nur) den Ländern. Im Österreichischen Strukturplan Gesundheit (ÖSG) ist festgehalten, dass 90 Prozent der Bevölkerung innerhalb von 30 Minuten ein Spital erreichen können müssen, dass die Grundversorgung - also Innere, Chirurgie, Gynäkologie und eine Intensivstation - anbietet. Der ÖSG ist als 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern paktiert. (Andrea Heigl, Gerald John und Lisa Nimmervoll, DER STANDARD, Printausgabe, 10.6.2010)