Zufälliges KHG-Double?

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Wien - "Ist das aber zeitgemäß!", sollen die Kinobesucher wohl denken, wenn sie aus Oliver Parkers Verfilmung von "Das Bildnis des Dorian Gray", dem einzigen Roman Oscar Wildes, taumeln. Tatsächlich ist die Geschichte des immerschönen Jünglings, auf dessen Antlitz das sündenpralle Leben keinerlei Spuren hinterlässt, wohingegen sein Bildnis stellvertretend altert, derart zeitlos, dass jede Generation die Adaption bekommt, die sie verdient. Während beispielsweise in Albert Lewins Verfilmung von 1945 auch die Kriegsgräuel Dorians Porträt zeichneten, spielte Helmut Berger 1970 in Massimo Dallamanos Version einen grausamen Jetsetter der später 60er-Jahre.

Anno 2010 will man offensichtlich die jugendlichen Fans der "Twilight"-Vampirschnulzen ansprechen. Gruselige Nebelschwaden durchziehen das London der Jahrhundertwende, während das noch unschuldige Landei Dorian durch das kürzlich geerbte Haus seines Großvaters geistert. Später wird ihm der ihn verehrende Maler Basil sein berühmtes Porträt überreichen; und er wird auf seinen künftigen Mentor Lord Henry Wotton treffen, der ihn mit Zigaretten und mit immer saubereren Prostituierten für einen zügellosen Lebensstil gewinnt. Viele Jahre und zwei Teenie-Romanzen (dem ewig Jungen sind diese praktischerweise auch im höheren Alter möglich) später kommt aber freilich das grausame Ende.

Den aktuellen Dorian, Ben Barnes, kennt man eventuell als Prinz Caspian aus den "Chroniken von Narnia" - und auch hier wirkt er wie frisch von der Prinzenrolle gecastet. Schön ist er freilich, nur mit dem Schauspielen tut er sich leider etwas schwer, sodass seine Darstellung ebenso konturlos bleibt wie der ganze Film. Colin Firth hat da als diabolischer Lord Wotton schon mehr Präsenz, und auch Ben Chaplin fällt in der Rolle des mahnenden Basil nicht weiter negativ auf.

Was hingegen auf Unverständnis stoßen muss, sind die Änderungen, die Oliver Parker, der Wilde-erfahrene Regisseur ("Ein perfekter Ehemann", "Ernst sein ist alles"), gegenüber dem Roman vorgenommen hat. So erlischt Dorians Liebe zu der Schauspielerin Sibyl in der Buchvorlage, als er erkennen muss, dass sie mit den glamourösen Frauen, die sie auf der Bühne darstellt, nicht ident ist. In Parkers Film ist es Sibyls Kinderwunsch, der die Beziehung scheitern lässt.

So wurde aus Wildes bissigem Werk eine angedeutete Läuterungsgeschichte, garniert mit softer Erotik und - wenn das verhängte Gemälde plötzlich stöhnt und Maden absondert - eher peinlichen Gruseleinlagen. Aalglatt und tief konservativ präsentiert sich Dorian Gray 2010 und passt damit perfekt in die Nachmittagsschiene von MTV und Konsorten. Ein spannender Film sieht leider anders aus. Und die Frage, ob die Ähnlichkeit des heutigen Dorian Gray mit Karl-Heinz Grasser Zufall sind, wird auch nur österreichische Kinogeher beschäftigen. (Dorian Waller / DER STANDARD, Printausgabe, 10.6.2010)