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Ende gut, alles gut. Ärztekammer-Präsident Dorner und SVA-Obmann Christoph Leitl beim offiziellen Handshake.

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Wien - Der vertragsfreie Zustand für die Gewerbetreibenden ist ab sofort zu Ende: Ärztekammer und die Sozialversicherung der Gewerbetreibenden (SVA) haben sich in der Nacht auf Donnerstag auf einen neuen Honorarvertrag geeinigt, der rückwirkend mit 1. Juni wirksam sein soll. Der Konsens wurde in einer rund siebenstündigen Verhandlungsrunde zwischen SVA-Obmann und Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl und seinem Stellvertreter Martin Gleitsmann sowie Ärztekammerpräsident Walter Dorner und dessen Stellvertreter Günther Wawrowsky bei einem Wiener Heurigen erzielt. 

Mehr Geld für Hausärzte, weniger für Labors

Geeinigt haben sich SVA und Ärztekammer auf eine durchschnittliche Erhöhung von 0,65 Prozent der Tarife. Die Anpassung erfolgt, wie bereits in der im Herbst gescheiterten Vereinbarung geplant, gestaffelt: Die Hausärzte erhalten rund 4 Prozent mehr, Labortarife werden heuer um 22 Prozent, ab 2011 um weitere 5 Prozent reduziert.

Für die rund 676.000 Versicherten der Krankenkasse, die für alle Selbstständigen in Österreich zuständig ist, bedeutet die Einigung, dass sie ab sofort wieder mit ihrer E-Card zum Arzt gehen können. Zumindest gibt es eine entsprechende Empfehlung der Ärztekammer an ihre Mitglieder, den Patienten die Abrechnung mittels E-Card zu ermöglichen, wie Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl und sein Gegenüber Ärztekammerpräsident Walter Dorner bei einer Pressekonferenz am Donnerstag sagten. Offiziell in Kraft treten soll die Vereinbarung am Montag, da zuvor noch die zuständigen Gremien zustimmen müssten. 

Noch keine Mehrheit für Beschluss

Der Vorstand der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft (SVA) hat dem in der vergangenen Nacht mit der Ärztekammer ausverhandelten Kompromiss für einen neuen Honorarvertrag zur Beendigung des vertragslosen Zustandes am Donnerstagabend einstimmig angenommen. In der Ärztekammer ist es allerdings noch offen, ob sie diesen Kompromiss billigen wird. In mehreren Landes-Ärztekammer, wo derzeit noch beraten wird, herrscht Skepsis. Eine Mehrheit in der Bundeskurie der Niedergelassenen Ärzte in der Ärztekammer, die einen Rundlaufbeschluss fassen wird, dürfte nach Informationen vorerst noch nicht ganz gesichert sein.

Kritik an neuem Vertrag aus den Ländern

Auch Jörg Garzarolli, Vizepräsident der Steirischen Ärztekammer und Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte, zeigte sich skeptisch: Beim bis Jahresende auszufeilenden Vertrag könnte "der Teufel noch im Detail" stecken, das Papier beinhalte "einige Sprengfallen", auch müssten einige Worthülsen wie z.B. Qualitätsoffensive noch mit Leben erfüllt werden.

"Erschüttert" und "mit großem Entsetzen" reagierte auch Christoph Reisner, der Präsident der Niederösterreichischen Ärztekammer, auf das Verhandlungsergebnis. "Dafür hätte man nicht verhandeln müssen. Bei solchen Resultaten ist es besser, man akzeptiert einfach sang- und klanglos das Angebot der Gegenseite", ärgerte sich Reisner.

 

Nach Gesundheit gestaffelter Selbstbehalt

Unabhängig davon haben Ärzte- und Wirtschaftskammer vereinbart, dass es ab 2012 einen neuen Gesamtvertrag geben soll, der SVA-Versicherten unter anderem flexiblere Arzt-Termine sowie ein Vertrauensarztsystem bringen soll. Außerdem ist ein Gesundheitsvorsorgesystem geplant: Erreichen die SVA-Versicherten bestimmte, mit dem Hausarzt gemeinsam festgelegte Gesundheitsparameter (zum Beispiel reduziertes Gewicht oder Cholesterinwerte), dann wird der bei jedem Arztbesuch zu bezahlende Selbstbehalt, derzeit 20 Prozent, halbiert. Ein großflächiger Pilotversuch dafür soll bereits 2011 erfolgen.

Im neuen Gesamtvertrag für die SVA ab 2012 wollen Ärzte und Wirtschaftskammer auch über ein "Disease Management-Programm" für chronisch Kranke verhandeln - also etwa bei Diabetes und bestimmten Herzerkrankungen. Derartige Vorschläge der Wirtschaftskammer hatten die Ärztevertreter zuletzt abgelehnt und vor dem Einstieg in ein standardisiertes "Managed Care"-System gewarnt.

Nur bei "Härtefällen" gibt es Kostenrückerstattung

SVA-Versicherte, die ihren Arztbesuch seit 1. Juni in bar bezahlen mussten, dürfen sich nur bedingt Hoffnungen auf eine Rückerstattung der Mehrkosten machen. SVA-Vizeobmann Martin Gleitsmann kündigte an, dass man sich "Härtefälle" ansehen werde. Schließlich hätten manche Ärzte den vertragslosen Zustand dazu benutzt, von den Patienten um 200 bis 300 Prozent erhöhte Honorare zu verlangen. Eine generelle Rückerstattung sei aber nicht möglich. Ärztekammerpräsident Walter Dorner forderte die Patienten auf, sich bei Beschwerden gegen einzelne Ärzte an ihn zu wenden.

Stöger: "Riesenerfolg für die Versicherten"

Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) hat die Einigung auf einen neuen Honorarvertrag in einer ersten Reaktion als einen "Riesenerfolg für die Versicherten" bezeichnet. Die Solidarität sei damit gewachsen, waren sich er und der Generaldirektor des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger, Josef Kandlhofer, vor Journalisten am Donnerstag in Linz einig. Es gehe um mehr Gleichheit im Gesundheitswesen, Österreich sei "Weltmarktführer", betonte Stöger.

Damit die Versicherten "in Zukunft vor derart untragbaren Situationen geschützt sind", will der Minister, wie er selbst sagt, das Instrument einer verbindlichen Schlichtung gesetzlich verankern. Der Zeitdruck dafür sei zwar jetzt nicht mehr so groß, erklärte Stöger. "Dennoch soll das Vorhaben in einem gebotenen Zeitraum umgesetzt werden." (APA)