Madrid - Die Zivilisationskrankheit Rückenschmerz kann bereits Teenager befallen. Deren Lage ist jedoch weit besser als jene älterer Semester mit dem gleichen Problem: „Ihre Lebensqualität wird dadurch viel weniger eingeschränkt, und als Therapie reicht in der Regel bereits eine gesunde Lebensführung mit regelmäßiger sportlicher Aktivität", wie César Garcia-Fontecha (Hospital Val d'Hebron, Barcelona) beim 11. Jahreskongress der European Federation of National Associations of Orthopaedics and Traumatology (EFORT) in Madrid betonte. „Aggressive Therapien können diesen Patienten daher erspart werden, ebenso wie eine kostspielige und auch psychologisch nachteilige Überbeanspruchung des Gesundheitssystems."

Volkskrankheit Rückenschmerzen erfasst auch Jugendliche

Schmerzen an der Wirbelsäule sind eine der häufigsten und kostspieligsten Krankheiten unserer Zeit. Sie sind bei Männern die häufigste und bei Frauen die zweithäufigste Ursache für Arbeitsausfälle und bei beiden Geschlechtern die häufigste Ursache für Früh- und Invaliditätspensionen. Geschätzte 80 Prozent der Erwachsenen leiden zumindest einmal in ihrem Leben unter Rückenschmerzen, bei Kindern und Jugendlichen ist diese „Lebenszeitprävalenz" vom Alter abhängig und erreicht im fortgeschrittenen Teenageralter immerhin 70 Prozent.
Eine spanische Studie zeigt jetzt, dass Jugendliche mit Rückenschmerzen in einer ganz anderen Situation sind als Erwachsene. „Wir gehen daher davon aus, dass junge Menschen bei Rückenschmerzen ganz andere Behandlungsstrategien brauchen als ältere Menschen", sagt  Garcia-Fontecha: „Wir haben 76 jugendliche Patienten im Durchschnittsalter von 14,1 Jahren einerseits mit gesunden Teenagern verglichen und zweitens mit solchen, die zwar unter Rückenschmerzen litten, deswegen aber noch keinen Arzt aufgesucht hatten. Überraschend war für uns die anhand des sogenannten KIDSCREEN ermittelte gesundheitsbezogene Lebensqualität der jugendlichen Patienten: In neun der zehn Lebensaspekte, die KIDSCREEN analysiert, war die Lebensqualität jugendlicher Patienten trotz Ihrer Rückenschmerzen sogar höher als jene von Schülern ohne Schmerzen. Lediglich im Bereich ‚körperliche Gesundheit' war sie schlechter als die ihrer gesunden Gleichaltrigen."

Die Lösung dieses Widerspruchs könnte darin liegen, dass Schüler ärztlichen Rat in der Regel nicht aus eigenem Antrieb, sondern auf Initiative ihrer Eltern in Anspruch nehmen: Die behandelten Schüler könnten aufmerksamere Eltern gehabt haben, die Schmerzensäußerungen wahr- und ernstnahmen. „Dafür spräche, dass die behandelten Jugendlichen - auch dies ein Ergebnis unserer Untersuchung - auch ein bedeutend höheres Maß an psychischem Wohlbefinden und eine deutliche bessere Beziehung zu Eltern und Freunden hatten als die nicht behandelten, ob mit oder ohne Rückenschmerzen", so Garcia-Fontecha. 

Vorteil gegenüber erwachsenen Patienten

„Rückenschmerz beeinträchtigt die Lebensqualität von Jugendlichen kaum. Das ist ein eklatanter Unterschied zur Situation erwachsener Patienten, deren Leben durch Rückenschmerzen auch in vielen anderen Aspekten, zum Beispiel dem psychischen und sozialen Wohnbefinden wesentlich beeinträchtigt wird", betont der spanische Experte.

Daraus folge auch, dass Jugendliche mit Rückenschmerzen möglicherweise nach gänzlich anderen Behandlungsschemata betreut werden sollten als Erwachsene. Garcia-Fontecha: „Eine aggressive Physiotherapie in Verbindung mit Medikamenten und häufigen Arztbesuchen - bei Älteren durchaus angebracht - ist bei Jugendlichen in der Regel nicht indiziert. Angesichts des geringen Leidensdrucks überwiegen etwa die Nebenwirkungen vieler Schmerzmedikamente sowie die hohen Kosten häufiger Physiotherapien und Konsultationen den Nutzen zumeist bei weitem. Sinnvoller und von nachhaltigerer Wirksamkeit ist es, Risikofaktoren von Rückenschmerzen wie Übergewicht und Bewegungsmangel durch eine vernünftige Lebensführung, vor allem ausgewogene Ernährung und regelm! äßige sportliche Aktivitäten, zu vermeiden. Auch wenn Schmerzen bereits eingetreten sind, können Jugendliche noch auf ihre eigenen intakten Gesundheitsressourcen bauen, und eine regelrechte Überbehandlung im Gesundheitssystem vermeiden." (red)