Wien - Selten haben Banker mit so netten Worten ein so vernichtendes Urteil gefällt. Bei seiner Konferenz in Wien hat der Weltbankenverband IIF (Institute of International Finance) am Donnerstag eine Studie über die Auswirkungen einer strengeren Bankenregulierung vorgelegt. Das Urteil: Umfassende Reformen am Finanzsektor sind gut und wichtig. Aber laut IIF droht ein Desaster, wenn die 20 größten Industrienationen (G-20) von der geplanten Verschärfung der Bankenregeln nicht absehen.
Konkret angesehen hat sich der Bankenverband die Vorschläge des Basel-Ausschusses. Die Basel-Gruppe hat Ende 2009 ein Reformwerk vorgelegt, wonach Kreditinstitute unter anderem verpflichtet werden sollen, ihre Geschäfte künftig mit mehr Eigenkapital zu unterlegen (siehe Wissen).
Riesenbedarf an Kapital
Sollte das unter dem Namen Basel III bekannte Regelwerk wie geplant 2012 in Kraft treten, würde auf die Banken zunächst ein gigantischer zusätzlicher Kapitalbedarf zukommen. Kreditinstitute in der Eurozone, in Japan und in den USA müssten ihr Eigenkapital in Höhe von 700 Milliarden Dollar erhöhen. Um nicht wie am Höhepunkt der Finanzkrise unter akuten Engpässen zu leiden, müssen die Banken zudem von kurzfristiger auf längerfristigere Finanzierung umstellen. IIF rechnet dabei mit Mehrkosten von 5400 Milliarden Dollar. Den größten Geldbedarf gibt es in Europa (siehe Grafik).
Getroffen werden laut Bankenverband aber ohnehin nicht nur Kreditinstitute, sondern auch Volkswirtschaften: Die Wirtschaftsleistung in den USA, Japan und der Eurozone wäre 2015 ohne Basel III um 3,1 Prozent niedriger als mit. Und die Banker rechnen mit mehr als zehn Millionen nicht geschaffenen Jobs weltweit.
Die Banken würden die höheren Kapitalkosten an die Kunden weitergeben, warnte Deutsche-Bank-Chef und IIF-Vorsitzender Josef Ackermann bei der Präsentation der Studie. Auch eine Drosselung der Kreditvergabe sei möglich. Einige der Reformvorschläge seien zwar durchaus sinnvoll, sagte Peter Sands, Chef der britischen Bank Standard Chartered. "Es gibt aber einen Preis dafür, das Banksystem sicherer zu machen. Und dieser Preis wird unvermeidbar von der Realwirtschaft getragen."
Die Studie des IIF, eines Lobby-Verbandes, der immerhin 400 Institute vertritt, wird die Debatte um Basel III weiter anheizen. Die Banken kämpfen seit Längerem gegen das Regelwerk an. Basel II sieht unter anderem vor, dass Banken die Eigenmittelquote von vier (Basel II) auf acht Prozent anheben müssen.
Den Banken soll auch ein höherer Anteil von hartem Eigenkapital - zu dem nur eingezahltes Kapital und gebundene Rücklagen zählen - vorgeschrieben werden. Streit gibt es darüber hinaus zwischen Aufsicht und Kreditinstituten darüber, wann Basel III kommen soll und wie viel Zeit den Banken zur Umstellung bleibt.
Eine auch beim Kongress in Wien geäußerte und im IIF-Report bestätigte Befürchtung ist, dass Europa von den Reformen stärker betroffen sein wird als die USA und Japan. Das hat mehrere Gründe: Die Banken in der Eurozone haben die größten Bilanzen und sie hinken US-Kreditinstituten bei der Eigenmittelausstattung hinterher.
Der Chef der Deutschen Bank, Ackermann verwies aber auch darauf, dass die Finanzierung der Wirtschaft in Europa viel stärker von Bankkrediten abhängig ist als etwa in den USA (wo mehr Geld vom Kapitalmarkt herkommt). Ackermann fordert daher vom G-20-Gipfel Ende Juni in Kanada Ausgewogenheit bei den neuen Bankvorschriften. (DER STANDARD, Printausgabe 11.6.2010)