Khayelitsha, Südafrika.

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Die Fußball Weltmeisterschaft hat noch nicht begonnen, doch das WM Fieber hat bereits eingesetzt! Egal wo - auf der Straße oder in unserer HIV/Aids Klinik in Khayelitsha, Kapstadt - überall ist die Begeisterung für Bafana Bafana (übersetzt: die jungen Buben), wie das Südafrikanische Fußballteam liebevoll genannt wird, sichtbar. Die Menschen auf der Straße und auch im Fernsehen tragen die gelben Trikots der Nationalmannschaft. Darüber hinaus wurde ein Tanz zur Fußball WM entwickelt: der Diski Tanz. Der Rhythmus ist ansteckend. Schulkinder lernen den Tanz ebenso wie Arbeiter, und sogar der Präsident von Südafrika soll sich daran versucht haben.

Es herrscht jedoch nicht nur Freude und Trubel. HIV/AIDS hat in Südafrika, wie in kaum einem anderen Land, den Tod gebracht, Familien zerstört und bedroht die Zukunft mehrerer Generationen. Ich arbeite in Khayelitsha, einem der größten Townships in Kapstadt mit schätzungsweise einer halben Million Einwohner. 20 bis 30% aller Bewohner von Khayelitsha sind mit dem HI-Virus infiziert. Ärzte ohne Grenzen unterstützt die lokalen Gesundheitsbehörden im Kampf gegen diese todbringende Epidemie. In unserem Programm werden derzeit rund 13 000 Patienten mit anti-retroviralen Medikamenten behandelt, davon 1000 Kinder.

Aus Sicherheitsgründen wohnt unser Team nicht, wie sonst üblich, nahe beim Projekt, sondern im Zentrum Kapstadts. Es ist schwierig, den großen Kontrast zwischen Khayelitsha und Kapstadt, zwischen Arm und Reich, zu akzeptieren. Die Einwohner Khayelitshas leben zumeist in Wellblechhütten auf engstem Raum zusammengepfercht. Im Gegensatz dazu sieht man im nur 30 Autominuten entfernten Kapstadt die schönsten und größten Häuser, teuersten Autos und die besten Restaurants und Einkaufszentren. Alles was es im Township nicht gibt, kann man auf alle Fälle in Kapstadt finden. Ich habe das Gefühl: Abends lebe ich in „Europa" und tagsüber arbeite ich in „Afrika".
Die Euphorie über die Fußball WM vereint jedoch alle.

Wir wollen während der Fußball-WM das Gesamtbild zeigen. Unser besonderes Anliegen ist es, auf die Finanzierungskrise im Kampf gegen HIV/Aids hinzuweisen. Geberländer und Institutionen wie das US-amerikanische PEPFAR-Programm zur Bekämpfung von Aids und der Globale Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria haben ihre Ausgaben für den weltweiten Kampf gegen HIV/Aids entgegen Versprechungen nicht erhöht. Das ist aber notwendig, um die HIV/AIDS Programme in Afrika erfolgreich weiterführen zu können. Da frage ich mich, wie man einerseits so viel Geld in den Weltmeisterschaft investieren kann und gleichzeitig die Menschen vor Ort Gefahr laufen, ihre lebensrettenden Aids Medikamente nicht mehr zu erhalten. Wie wird sich diese Finanzierungskrise auf die Betroffenen auswirken?

Wie man im eben veröffentlichten Bericht "No time to quit: HIV/Aids treatment gap widening in Africa" beobachten konnte, musste in Südafrika, Uganda und in der Demokratischen Republik Kongo die Zahl neuer Patienten für eine antiretrovirale Therapie auf ein Sechstel reduziert werden. Das Leben von Millionen von Menschen steht auf dem Spiel. Das führt soweit, dass bereits die ersten Patienten darauf warten, dass ein anderer unter Therapie stehender Patient stirbt, damit sie eine Chance auf Behandlung haben. Das ist unglaublich traurig und tragisch. Das Leben von Millionen von Menschen steht auf dem Spiel. So etwas kennt man in Europa nicht. In Europa muss niemand darauf warten, dass ein anderer Patient stirbt, damit die lebensrettende Therapie zur Verfügung steht.

Ich hoffe, dass die WM hier in Südafrika auch eine Plattform bietet, um auf dieses Problem aufmerksam zu machen. Ich frage mich: Werden Politiker, Medien und Fußballfans auch diesem Problem Aufmerksamkeit schenken?

(Bernhard Kerschberger, Allgemeinmediziner aus der Steiermark, derzeit auf Einsatz für Ärzte ohne Grenzen in Kapstadt, Südafrika)