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Die Erde vom Mond aus gesehen: Zumindest diese Perspektive lässt keine Zweifel aufkommen.

Foto: AP/NASA

Bamberg/Amsterdam - Es wirkt fast wie ein nachträglicher Triumph der im 19. Jahrhundert gegründeten, zum Witz verkommenen und schließlich sanft entschlummerten Flat Earth Society: In den meisten Köpfen ist die Vorstellung von der Erde als Scheibe noch immer nicht wirklich getilgt. Dabei geht es nicht um die Geoid-Gestalt unseres Heimatplaneten an sich - der Teufel steckt eher im Detail, wie Psychologen der Universität Bamberg in der Zeitschrift "Cognition" berichten.

In einem Test ließ Studienleiter Claus-Christian Carbon 40 Freiwillige die Distanzen zwischen sechs Städten schätzen, nämlich zwischen Berlin, Los Angeles, Tokio, Rio de Janeiro, Kapstadt und Sydney. Die Angaben der Testpersonen waren fast durchwegs falsch, da sie auf dem Gedanken beruhten, die Strecken würden eine gerade Linie beschreiben. Eine solche ist die kürzeste Distanz zwischen zwei Punkten jedoch nur auf gerader Ebene, während sie auf einer Kugeloberfläche gekrümmt ist. Die Entfernungen wurden somit meist unterschätzt. 

Abstraktes Wissen muss um Erfahrung ergänzt werden

Einer kleinen Minderheit gelang es allerdings, diese Aufgabe sehr gut zu erledigen. "Überraschenderweise kam es dabei nicht auf den persönlichen Hintergrund oder besonders gutes geografisches Wissen der Testpersonen an. Vielmehr gelang die Schätzung allein denjenigen, die schon eine eigene, bewusste Wahrnehmung der Kurvengestalt der Erde hatten und sich während der Aufgabe daran erinnerten", berichtet Carbon. Genannt wurden dafür etwa Beobachtungen aus dem Flugzeugfenster oder von einem scheinbar am Horizont versinkenden Schiff.

So sehr diese Forschung auch auf den ersten Blick als Jux erscheinen mag, zeigt sie doch ein Problem auf, das sich nicht auf Distanzschätzungen beschränkt. "Wir können heute alles Wissen der Welt ansammeln. Um dieses aber auch wirklich anzuwenden, sind persönliche Erfahrungen nötig. Das ist auf vielen Bereiche unseres Lebens übertragbar", so der Psychologe. Als einfaches Beispiel dafür nennt er die Belehrung, dass die Herdplatte heiß sei und nicht angegriffen werden solle. Die meisten Menschen müssen die Hitze der Herdplatte zuerst irgendwann einmal selbst verspürt habe, um deren Gefährlichkeit voll zu verstehen. (pte/red)