Otto Muehl, O.T. 1984. Interviews und Hintergrundinformationen, die nicht Teil des Katalogs oder der Ausstellung sind, auf www.leopoldmuseum.at und www.re-port.de

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Die Kunst, der Muehl und das Geld
Ein 'Kommentar der Anderen' von Michael Pfister, Schriftsteller, Soziologe und Ex-Kommunarde

Foto: Leopold Museum,VBK Wien, 2010

Wien - " Otto Muehl ist einfach mit seinen Ideen über alles drübergefahren - sehr aktiv, in der Art von ‚Das ist so!‘ und ‚Das machen wir so!‘ - das war für mich ganz toll, ein Ereignis sondergleichen" , sagt Michael Pühringer, Mitglied der Gruppe Zünd-Up, 2010 in einem Interview mit Diethard Leopold. Ein Zitat aus dem Pressetext zur aktuellen Muehl-Personale im Leopold Museum, das mit dem positiven Satz "Damit hat er ein irrsinniges Selbstvertrauen in mir erweckt!" abbricht.

Auch in einem anderen Zünd-Up-Gespräch (geführt 2009 mit der Autorin) kommt die Strahlkraft und Faszination des Aktionisten und späteren Kommunenführers zur Sprache. Allerdings wird dort relativiert. Ihren "Ausstieg" begründeten Pühringer und Kollegen mit der Vereinnahmung durch Muehl: "Die Abgrenzung zu Muehl begann, als wir sahen, wie autoritär er die Frauen gefangen hält."

1970 hatte Muehl am Friedrichshof das AAO-Kommunenexperiment begründet: Der drogenuntermalte wilde Rudelbums mit dem Diktat freier Liebe mündete bald in ein geschlossenes, hierarchisches System, "eine absolute Sekte" (Ex-Kommunarde Schlomo Skopik). 1991 wurde Muehl unter anderem wegen Unzucht mit Minderjährigen zu sieben Jahren Haft verurteilt.

Was das Zitat Pühringers neben seinem Inhalt auch interessant macht, ist die Tatsache, dass es überhaupt Erwähnung findet: Denn die Ausstellung, die kurz vor Muehls 85. Geburtstag ausgewählte Beispiele der 240 Arbeiten umfassenden Sammlung Rudolf Leopolds präsentiert, will ja allein die Kunst als Kunst in den Fokus setzen und nicht etwa das Leben oder die Figur Muehls. Und das, obwohl dieser selbst den Ausspruch prägte: "Mein Leben ein Kunstwerk." Als das Mak 2004 unter diesem Titel Muehls Kommune eine Ausstellung widmen wollte, rief das die Gruppe re-port auf den Plan: ehemalige Kommunarden, die der Mystifizierung Muehls entgegenzuwirken versuchen. In der jetzigen Schau insistierten sie bei Kurator Diethard Leopold, Sohn des Sammlers und im Hauptberuf Psychotherapeut, dass keine die Opfer herabwürdigenden Bilder zu sehen sind.

"Man kann einen Menschen nicht vom Künstler trennen" , erteilt Muehls Agentin Danièle Roussel, die seit 1976 Teil seiner inzwischen stark verkleinerten Kommune ist, dem Unterfangen des Leopold Museums unfreiwillig eine Absage: "Man sieht einen Menschen in seinen Bildern." Hubert Klocker, Leiter der Sammlung Friedrichshof: "Dieses ganze Gleichnis, die Kunst ins Leben zu überführen, war möglicherweise ein manifestiver Wunsch, eine Äußerung mit gewisser Provokation. Ich glaube nicht, dass das wörtlich zu nehmen ist." Und Diethard Leopold: "Man geht Muehl selbst auf den Leim, wenn man seine Kunstproduktion so eng mit seinem Leben in Zusammenhang sieht. Der Bezug zum Leben ist eine romantische Idee, die der näheren Betrachtung nicht standhält. Aber wie man die Welt erlebt, welche politische Ansicht man hat, fließt natürlich sehr wohl ins Kunstwerk ein."

"Muehl als Maler ist nicht meine große Leidenschaft" , bemerkt Muehl-Freund und Kunstsammler Rudolf Schmutz. Ganz im Gegensatz zu Rudolf Leopold, der in Muehl fast ausschließlich den Maler sieht. Vierzig Jahre aus dessen extrem heterogenen malerischen Schaffen (1962-2002) sind nun in seinem Haus chronologisch aufgefächert. Man sieht das Werk eines stetig Suchenden, Unentschlossenen, der Stile appropriiert, sich etwa auch lässig am expressionistischen Duktus und der Biografie van Goghs abarbeitet, Farben mal zentimeterdick, mal lasierend auf die Leinwand aufträgt, mal abstrakt, mal realistisch.

Klocker: "Ich halte es für einen durchaus positiven Impetus, wenn jemand ein Suchender ist, der sich nicht festlegen kann, weil er experimentiert." Aber worüber noch als über den Blick des Sammlers kann die Ausstellung, die Kontexte und Analysen meidet, Auskunft geben? Wer ist dieser Muehl aus rein kunsthistorischer Sicht?

"Ich glaube, dass Muehl in vielen Bereichen gescheitert ist, und dass er es weiß" , sagte Roussel wenige Tage vor Ausstellungsbeginn. Seine Verurteilung bezeichnete er einst als Justizirrtum, nun folgte diesem Wissen eine lange ausgebliebene Entschuldigung in Form eines Briefes: Er wolle nicht das Gefühl hinterlassen, es lasse ihn kalt, dass er Menschen verletzt hat. Was ändert die Entschuldigung? Menschlich und moralisch betrachtet, sehr viel. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD/Printausgabe, 12./13.06.2010)