Der Wahlausgang in den Niederlanden ist auch für Österreich interessant, weil auch dort ein rabiater anti-islamischer Rechtspopulist starken Zulauf erhalten hat. Da für die Wahlen in Wien im Herbst eine ähnliche Entwicklung erwartet wird, stellt sich erneut die Frage, wie man mit dem Rechtspopulismus und dem "Ausländerthema" an sich umgehen soll.

Zunächst einmal muss man das holländische Ergebnis in seinen richtigen Dimensionen sehen: Die eigentliche Sensation ist, dass die wirtschaftsliberale VVD (Volkspartei für Freiheit und Demokratie) mit einem massiven Sozialstaats-Kürzungsprogramm im Angebot (knapp) mit 31 Sitzen oder 20,6 Prozent stärkste Partei wurde. Bei uns undenkbar .

Die anti-islamische PVV (Partei für Sicherheit und Freiheit) des Geert Wilders hat sich allerdings von 9 auf 24 Sitze (16 Prozent) und damit auf den dritten Platz katapultiert (nach den Sozialdemokraten). Die Strache-FPÖ hatte bei den Nationalratswahlen 2008 17,5 Prozent (das BZÖ, das man zum Spektrum "Rechtspopulismus" dazuzählen muss, 10,7 Prozent). Für die Wiener Wahlen liegt die Strache-FPÖ in den Umfragen bei etwas mehr als 20 Prozent. Erinnert man sich, dass die Haider-FPÖ schon bei 27 Prozent lag (NR-Wahlen 1999), so ist das rechtspopulistische Wählerpotenzial in Österreich wohl strukturell höher als in den Niederlanden.

Beide Länder haben einen hohen Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund, wobei in den Niederlanden das Erbe der Kolonialzeit (heutiges Indonesien) weitgehend integriert sein dürfte. Focus der Anti-Islam-Debatte sind die rund 700.000 Türken und Marokkaner, letztere wegen hoher Jugendkriminalität und mangelnder Integration noch stärker.

Die Niederländer haben also kein wirkliches Mittel gegen den anti-islamisch befeuerten Rechtspopulismus gefunden. Es gibt in den Großstädten durchaus einfallsreiche Nachbarschafts-Projekte, mit denen das Zusammenleben reibungsloser funktionieren soll und auch funktioniert - wie in Wien.

Was jedoch noch auf eine Strategie wartet, sowohl in Wien wie in Amsterdam oder Rotterdam, ist die Grundsituation. Beide Länder haben eine kulturell stark unterschiedliche Bevölkerung importiert, die - und das ist das eigentliche Problem - bildungsmäßig und sozial einen gewaltigen Rückstand hat. Die Niederlande und Österreich haben (wie andere Westeuropäer) eine ganze Unterschicht importiert - die noch nach zwei Generationen Unterschicht bleibt.

Die brutale Wahrheit ist aber, dass eine strukturelle Unterschicht im Europa der Globalisierung nicht gebraucht wird. Nur (Bildungs-)Aufsteiger können unseren Wohlstand sichern. Die erschreckendste Meldung der letzten Tage war: In Österreich gibt es 10.000 Schulabbrecher jährlich (davon 30 Prozent mit Migrationshintergrund). Das sind 10.000 junge Leute ohne Zukunft.

Der niederländische Wahlsieger Mark Rutte nennt das die "chancenlose Immigration" , wobei sich die Chancenlosigkeit auch bei den Kindern vieler Immigranten fortsetzt. Das ist das Problem, dem sich unsere Politik mit aller Intensität und entsprechend Geld widmen muss. (Hans Rauscher/DER STANDARD, Printausgabe, 12.6.2010)