Bild nicht mehr verfügbar.

Spart sich der Osten kaputt? Rumänien hat soeben ein neues Kürzungspaket verabschiedet; am stärksten gekürzt wird bei Beamten. Polizisten zeigten in Bukarest lautstark, was sie davon halten.

Foto: Reuters/Robert Ghement
Grafik: Standard

Unter der Aufsicht des Internationalen Währungsfonds (IWF) laufen in Osteuropa seit eineinhalb Jahren harte Sparprogramme. Die Haushalte sind stabilisiert, doch das Wachstum bleibt aus. Die Kritik am IWF-Kurs wächst.

***

Die schlechten Nachrichten aus dem Osten kommen wieder im Wochenrhythmus. Mit Aussagen über die eigene Staatspleite hat Ungarn vorletzte Woche die Weltmärkte erschüttert und den eigenen Ruf ramponiert. Rumänien blies daraufhin am vergangenen Montag den Verkauf einer Staatsanleihe ab. Investoren hätten dem Land nur zu einem hohen Zinssatz Geld geliehen. Die Furcht wächst, Rumänien werde sein Defizit nicht in den Griff bekommen.

Die neue Woche beginnt mit einer Warnung: Thomas Mirow, Chef der Osteuropabank EBRD, fürchtet einen kräftigen Konjunkturrückgang in Südosteuropa. Die Region drohe den Anschluss zu verlieren (siehe Interview).

Inzwischen geht es aber um weit mehr als um ein paar Staaten mit niedrigem Wachstum. Die neuesten Prognosen deuten eine stärker werdende Zweiteilung Osteuropas an. Polen, Tschechien und der Slowakei - Ländern, die schon bisher ganz gut durch die Krise gekommen sind - wird ein solides Wachstum vorhergesagt.

Serbien, Bosnien, Rumänien, Lettland und Ungarn dagegen schrumpfen oder stagnieren das dritte Jahr in Folge. Was diese Staaten verbindet? Sie alle haben ein Programm mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) laufen. Ende 2008 hat der Fonds seine ersten Notkredite im Osten vergeben. Wer die IWF-Länderberichte heute durchforstet, findet stets das gleiche Bild: Der Fonds hat die Staatsdefizite erfolgreich heruntergedrückt.

Aber die sozialen und wirtschaftlichen Folgen sind gravierend. Die lettische Wirtschaft ist um fast ein Drittel geschrumpft, die Arbeitslosigkeit ist mit 22,5 Prozent EU-weit die höchste. Fast die Hälfte der unter 25-Jährigen hat keinen Job. In Ungarn ist die Arbeitslosigkeit um fast 30 Prozent gestiegen, der Konsum ist wie in Serbien weiter rückläufig.

"Das große Problem ist, dass die Inlandnachfrage wegen der starken Kürzungen im Rahmen der IWF-Programme zusammengebrochen ist" , sagt Joachim Becker von der Wirtschafts-Uni Wien.

Diese Schwächung der Kaufkraft ist vom IWF gewollt. Durch den Konsumeinbruch sollen Importe, etwa von Autos, zurückgehen. Dadurch fließt automatisch weniger Geld ins Ausland ab.

Auf der anderen Seite will der IWF durch Exportsteigerungen für Wachstum sorgen. Doch genau da liege der Hacken, sagt Becker: "Die IWF-Staaten verfügen mit Ausnahme Ungarns über keine starken Exportstrukturen." Die Folge: Der Aufschwung bleibt aus. In einigen Ländern wie Rumänien erwartet Becker sogar eine tiefere Rezession. Auch bei der EBRD herrscht hinter vorgehaltener Hand Skepsis darüber, ob sich alle aus der Krise herausexportieren können, insbesondere jetzt, da in Westeuropa die Turbulenzen größer werden. Der Ukraine - deren IWF-Kredit derzeit auf Eis liegt - hilft derzeit noch die gesteigerte Nachfrage nach Metallen.

Letten zahlen die Zeche

Der Osteuropa-Experte Vladimir Gligorov ist optimistischer. Die Exportstrategie des IWF hält er nicht für falsch. "Ohne IWF würde es Ungarn und Rumänien heute schlechter gehen." Skeptisch ist er fürs Baltikum. Lettlands Hauptexportprodukt ist Holz. "Durch das Fällen von mehr Bäumen wird niemand aus der Krise kommen" , sagt Gligorov. Allerdings wendet er auch ein, dass an vielem gar nicht der IWF schuld sei. In Lettland seien Anpassungen so hart, weil die EU-Kommission, die das Programm mitfinanziert, eine Währungsabwertung verhindert hat.

Geschehen ist das nicht zuletzt im Hinblick auf die schwedischen Banken, die viele Fremdwährungskredite im Baltikum vergeben haben und die daher eine Abwertung fürchten. "Die Letten müssen kräftig sparen und alles zurückzahlen, es gab keinen fairen Ausgleich" , sagt Gligorov.

Und auf noch ein Problem will er hinweisen: Die wahren sozialpolitischen Kosten der Kürzungen kenne noch niemand. Den IWF interessiert in seinen Berichten bisher nur, ob ein Land seine Vorgaben umsetzt - und nicht die gesellschaftlichen Folgen. (András Szigetvari, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14.6.2010)