Die Journalisten aus Paris waren am vergangenen Montag schon eingeflogen, als Sarkozys Besuch in Berlin überraschend abgesagt wurde. So etwas war während der Regierungszeit der deutschen Kanzlerin und des französischen Präsidenten noch nie vorgekommen. Heute, Montag, will das Zweckduo einen neuen Anlauf nehmen. Es muss. "Sonst werden uns die Finanzmärkte in die Luft jagen" , meinte ein französischer Minister unter dem Deckmantel der Anonymität. Am Mittwoch veröffentlichten sie einen gemeinsamen Brief an die EU-Kommission, um einen verstärkten Kampf für die internationale Finanzregulierung zu fordern.

Die Geste wirkte ziemlich bemüht. Denn gleichzeitig streitet man über den Rhein hinweg, wer überhaupt schuld gewesen sei an der Annullierung des Treffens. Laut Elysée war die Verschiebung "auf Vorschlag der Kanzlerin" zustande gekommen. Merkels Sprecher Ulrich Wilhelm meinte aber, Paris habe die Absage angeregt. Der an sich nichtige Zwist spricht Bände über die "Kälte und Missverständnisse" , die gemäß Die Welt nun das deutsch-französische Verhältnis bestimmen. Le Monde berichtet, Sarkozy habe befürchten müssen, mit leeren Händen nach Berlin zu kommen, während Berlin gleichentags einen Sparplan über 80 Milliarden Euro vorlegte. Der französische Premier François Fillon stellte nun einen eigenen Plan vor, der in drei Jahren 100 Milliarden in die Staatskasse spülen soll. Wie er das ohne Steuererhöhung machen will, ließ er aber offen.

Diese Rivalität mit Blick auf die Finanzmärkte hat ein ernstes Motiv. Die französischen Staatspapiere kommen gegenüber den deutschen zunehmend in Rücklage, auch wenn sie offiziell noch über ein Triple-A-Rating verfügen. Vergangene Woche musste Paris für seine Zehn-Jahres-Anleihen erstmals 0,5 Prozent mehr Zins als Berlin bezahlen. Dieser "spread" (Abstand) beunruhigt Sarkozy so sehr, dass er Merkels Sparplan bissig kommentierte: "Ein Sparpaket nach dem anderen führt in die Rezession." Anders gesagt: Je größer der deutsch-französische Zinsunterschied, desto geringer der deutsch-französische Zusammenhalt. Und der Zusammenhalt des Euroraums. (Stefan Brändle aus Paris/DER STANDARD, Printausgabe, 14.6.2010)