Peter H. Grassmann. BurnOut. Wie wir eine aus den Fugen geratene Wirtschaft wieder ins Lot bringen. Oekom Verlag. 152 Seiten, 14,90 Euro.

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Peter H. Grassmann agierte als Top-Manager jahrelang in den Führungsetagen global operierender Konzerne. "Ich gehörte zu denen, die man vor der Wut der Benachteiligten schützen musste, die keine Antwort hatten auf deren Probleme. Gab es wirklich keine?", so leitet Grassmann sein Buch "Burn Out" ein. Der promovierte Physiker war technischer Vorstand in der Medizintechnik von Siemens und Vorstands-Chef von Carl Zeiss. Er habe "einem fehlerhaften, einem ethisch zu schwachen System gedient", gibt er zu und schreibt sich seine wachsenden Zweifel am Kapitalismus von der Seele.

Seine Diagnose: Das System des freien Marktes leidet am Burn-out, ist überhitzt und ausgebrannt. Der Patient Markt sei mit seinem neoliberalen Latein am Ende - und der Staat im globalen Spiel der Kräfte zu schwach. Fehlender globaler Ausgleich, Sklaven- und Kinderarbeit, Umweltskandale, soziale Verarmung und internationale Korruption: Die Marktwirtschaft leiste sich in ihrer globalen Freiheit eine Menge, was unter Wertegesichtspunkten nicht sein dürfe und gesellschaftlich inakzeptable Folgen hätte, lautet der Befund. Ganz abgesehen von den Exzessen der Finanzwirtschaft, die alle paar Jahre eine neue Blase platzen ließe, aber immer gut daran zu verdienen scheine. Die globalisierte Marktwirtschaft arbeite nach dem Prinzip der Verdrängung und ignoriere diese Probleme - so Grassmanns Bilanz.

Kapitalismus zähmen mit Hilfe der Zivilgesellschaft

Die „soziale" aber doch recht egoistisch-kurzsichtige Marktwirtschaft gelte es nun auf ein höheres „Plateau" weiterzuentwickeln. Der Kapitalismus und die Globalisierung seien so zu zähmen, dass das System der menschlichen Fehler besser kompensiert werde. Grassmann schlägt einen neuen Weg vor, zwischen markt-radikalem Macho-Kapitalismus und Staatsgläubigkeit: Gesellschaftlicher Dialog lautet für ihn das Stichwort, der sich als Grundlage für sozialere Marktwirtschaft mit mehr Gemeinsinn und Generationengerechtigkeit, anbiete. In seiner Road-Map fordert er vor allem die Mitbestimmung der Zivilgesellschaft in Unternehmen und die Entwicklung eines branchenspezifisch verpflichtenden Wertekodex: Mitbestimmung als neue gesellschaftliche Kraft mit weniger Staat und mehr Mitsprache, orientiert an den Zielen der Nachhaltigkeit und der sozialen Verantwortung, so die Vision.

„Und genau dieses Bewusstsein, auch als Einzelner etwas tun zu können, ist der erste Schritt zu einer umfassenden Antwort: weil wir damit nicht mehr auf den Staat allein warten, sondern viel stärker auch mit unserer Kraft, der Kraft der Zivilgesellschaft, die Themen in die Hand nehmen und einen neuen Weg verstärkter Mitsprache gehen." (Regina Bruckner)