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Mehr als 70 Prozent der Einnahmen des iranischen Staates kommen aus dem Öl- und Gasgeschäft. Ausbleibende Investitionen könnten Teheran zusetzen, sagen Experten.

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Wien/Teheran - Mit ungewöhnlich scharfen Worten hat der österreichische Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl am Dienstag die neue Sanktionsrunde gegen den Iran kritisiert. "Die Amerikaner erheben den Zeigefinger, und die Europäer kuschen", sagte Leitl. "Europa sperrt die Tür zum Iran zu, für Asien geht die Tür damit erst auf." Und: Die Amerikaner würden über Umwege ohnehin ihr Geld im Iran investieren können, "damit sind es am Ende die Europäer, die draufzahlen", sagte Leitl dem Standard.

Auslöser sind zwei Beschlüsse, die gegen die iranische Atompolitik gerichtet sind. In der Vorwoche hat die Uno neue Sanktionen beschlossen, am Montag haben sich auch die EU-Außenminister auf neue Strafmaßnahmen geeinigt. Die Pläne der Europäer gehen über die Uno-Vorgaben klar hinaus.

In der Uno wurde ein bestehendes Waffenembargo ausgeweitet, die Konten von 15 zusätzlichen iranischen Firmen werden eingefroren. Darüber hinaus darf künftig eine iranische Bank keine Auslandsfilialen eröffnen, wenn sie verdächtigt wird, das Atomprogramm zu unterstützen.

Die EU-Außenminister planen nun auch ein generelles Verbot für Investitionen in die Gas- und Ölindustrie des Iran und den Transfer von Energietechnologien. Der US-Kongress, der sich dem Thema Iran besonders akribisch widmet, listet derzeit 41 ausländische Firmen auf, die im iranischen Energiesektor tätig sind.

Fehlende Partner

Darunter finden sich die französische Total und die OMV. Allerdings haben die meisten europäischen Ölriesen ihre Projekte im Iran gestoppt. Total hat mehrere Verträge zur Weiterentwicklung des weltgrößten Erdgasfeldes South Pars im Persischen Golf. Total kündigte wie Royal Dutch Shell und die spanische Repsol 2008 einen Stopp seiner Aktivitäten an, auch die OMV ist nach eigenen Angaben derzeit nicht operativ im Iran tätig.

"Das Investmentverbot wird den Iran dennoch treffen", sagt Karbuz Sohbet vom französischen Forschungsinstitut Observatoire Méditerranéen pour l'Energie (OME) in Nanterre. Am schlimmsten für Iran sei, dass South Pars ohne westlichen Partner nur beschränkt weiterentwickelt werden kann. Der Iran hat sich zwischenzeitlich zwar einen chinesischen Partner, die China National Petroleum Corporation, für South Pars geholt. Die Chinesen können das Gasfeld erschließen, aber sie verfügen nicht über Technologie, größere Gas-Verflüssigungsanlagen zu bauen, was für den Transport des Rohstoffes notwendig ist.

Durch einen Investmentstopp ist zudem der Bau einer iranisch-pakistanischen Pipeline gefährdet, auf den sich die beiden Länder im Mai geeinigt hatten. Die Pipeline soll 1,5 Milliarden Dollar kosten. Ohne Finanzierung europäischer Banken könnte das Projekt wackeln, sagt Sohbet.

Die EU will aber nicht nur die Ölindustrie treffen. Zusätzlich sollen nach dem Vorschlag der Minister, der im Juli offiziell beschlossen werden soll, Schiffe der Rederei Irisl (Islamic Republic of Iran Shipping Lines) keine europäischen Häfen mehr anlaufen dürfen, geplant sind auch Beschränkungen für Lufttransport.

Irisl ist die größte iranische Rederei. Dem staatlichen Unternehmen wird vorgeworfen bestehende UN-Sanktionen umgangen zu haben. Über die Wirksamkeit dieses Verbots scheiden sich die Geister: Iran-Experte Walter Posch spricht von einem harten Schlag, Günther Schabhüttl von der Österreichischen Außenhandelsstelle in Teheran glaubt, dass internationale Reedereien ihre Dienstleistungen an den Iran weiter anbieten werden, wodurch das Embargo kaum Auswirkungen hätte. Beschränken will die EU schließlich auch Versicherungen (siehe Wissen). Ob die neuen Sanktionen österreichische Firmen im Iran treffen werden, steht laut Wirtschaftskammer übrigens noch nicht fest. (András Szigetvari, DER STANDARD, Printausgabe, 26.6.2010)