Belgrad - Die deutsche Mediengruppe Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ), die in Österreich an der "Kronen Zeitung" und am "Kurier" beteiligt ist, hat am Dienstag überraschend angekündigt, sich aus Serbien schrittweise zurückzuziehen. In einem Schreiben an den serbischen Präsidenten Boris Tadic habe WAZ-Chef Bodo Hombach den serbischen Staatschef um Hilfe gebeten, damit der Rückzug im Einklang mit dem Gesetz erfolgen könne, teilte die WAZ in einer Aussendung in Belgrad mit.

Laut dpa titelte die serbische Zeitung "Press" am Dienstag: "Die WAZ erpresst (den Präsidenten) Boris Tadic". Die Essener hätten am Vortag einen "offiziellen Brief" an das Staatsoberhaupt mit einem Ultimatum geschickt. Entweder helfe Tadic beim Erwerb der Zeitung "Vecernje Novosti" oder der Konzern ziehe sich aus Serbien zurück, heißt es danach in dem Brief. Die WAZ werde in diesem Fall bei anderen deutschen Firmen für die Einstellung weiterer Investitionen in diesem Land werben. Die Essener bestätigten den Brief, der jedoch einen anderen Inhalt habe. Es habe keinerlei Bedingungen gegeben. WAZ möchte trotz großer Schwierigkeiten und scharfer öffentlicher Kritik das Land nicht im Streit zu verlassen, berichtete der Sender "B-92" unter Berufung auf die Aussendung.

"Verteidigung der nationalen Interessen"

Auch der serbische "Nationaldichter" Dobrica Cosic, der als einer der Wegbereiter der in vielen Kriegen gescheiterten Idee eines Großserbien gilt, hatte auch gegen die WAZ schweres Geschütz aufgefahren. "Der Verkauf von 'Politika' an den deutschen Kapitalisten bezeichnet symbolisch die geistige Kapitulation Serbiens", schrieb er - und zum geplanten "Vecernje Novosti"-Verkauf: "Es geht um die Liquidation der letzten und objektivsten Volkszeitung." Der frühere Regierungschef Vojislav Kostunica zeigte sich bereits vor Jahren und mehrmals stolz darauf, den WAZ-Zugriff auf "Vecernje Novosti" verhindert zu haben. Es gehe dabei um "die Verteidigung der nationalen und staatlichen Interessen".

Der Chefredakteur des Belgrader Boulevardblattes "Vecernje Novosti", Manojlo Vukotic, hatte erst im März den WAZ-Chef Hombach wegen eines angeblichen sieben Jahre zurückliegenden Deals heftig angegriffen. Vukotic soll nach WAZ-Angaben Ende 2002 mit Hombach einen Vertrag über Beraterdienste bei der Expansion der WAZ Mediengruppe in Serbien abgeschlossen und dafür auch Geld kassiert haben. Dabei soll es auch um den Verkauf des Boulevardblattes gegangen sein, was Vukotic jedoch bestritt.

Auf dem serbischen Medienmarkt ist die WAZ Mediengruppe seit Oktober 2001 durch ein Joint Venture mit dem Zeitungsverlag Politika AD mit Sitz in Belgrad vertreten. Die WAZ-Gruppe hält 50 Prozent an dem Unternehmen, das 1904 gegründet wurde und der zweitälteste Zeitungsverlag auf dem Balkan ist. Dort erscheinen die Tageszeitung "Politika", die Sportzeitung "Sportski Zurnal" und die wöchentlich erscheinende Wettzeitung "Mix". (APA)