Rom - Um den abtrünnigen Gaspare Spatuzza, der in den vergangenen Monaten Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi der Verstrickungen mit der sizilianischen Cosa Nostra beschuldigt hatte, tobt in Italien ein heftiger Streit. Das Innenministerium in Rom hat beschlossen, Spatuzza nicht die außerordentlichen Sicherheitsmaßnahmen zu gewähren, die normalerweise abtrünnigen Mafiosi zugesichert werden, die für Justizermittlungen ausschlaggebende Aussagen machen. Spatuzza sei nicht glaubwürdig, lautet die Begründung des Innenministeriums, berichteten italienische Medien am Mittwoch.

Der 45-jährige Spatuzza, der dem sizilianischen Mafia-Clan Graviano angehörte, hatte im vergangenen Dezember gegenüber der Justiz berichtet, ein für eine Serie von Bombenanschlägen der Mafia in Rom, Mailand und Florenz im Jahr 1993 verurteilter Mafia-Boss habe den damals noch nur als TV-Unternehmer tätigen Berlusconi mit den Attentaten in Verbindung gebracht. Vor den Staatsanwälten von Florenz, die ihn in den letzten Monaten lange vernommen hatten, hatte Spatuzza zu verstehen gegeben, dass Berlusconi mit dem Geld der Familie Graviano in den Siebziger Jahren Geschäfte auf Sizilien gemacht hatte. Graviano hatte 1993 dann Berlusconis politischen Aufstieg nach der Gründung seiner Mitte-Rechts-Partei Forza Italia unterstützt.

Berlusconi hatte sich über Verdächtigungen erzürnt gezeigt, er sei selbst in Aktivitäten der Mafia verstrickt gewesen. "Es ist einfach ein Wahnsinn, ich werde der unglaublichsten Dinge beschuldigt. Dabei hat meine Regierung wie keine andere die Mafia bekämpft", wurde Berlusconi zitiert.

Spatuzza, der vor zwölf Jahren verhaftet wurde, hat sich 2005 zur Zusammenarbeit mit der Justiz entschlossen. Seitdem studierte er Theologie. Den Staatsanwälten gestand er den Anschlag auf den Richter Paolo Borsellino am 19. Juli 1992 in Palermo. Für den Anschlag seien die falschen Personen verurteilt worden.

Die Staatsanwälte von Florenz, denen Spatuzza seine Geständnisse gemacht hat, protestierten wegen des Beschlusses des Innenministeriums, dem abtrünnigen Mafioso keine Sicherheitsmaßnahmen zu gewähren. "Das ist ein beispielloser Beschluss, Spatuzza ist ein glaubwürdiger Kronzeuge", protestierte der Staatsanwalt Nino Di Matteo. Der Oppositionspolitiker und Ex-Staatsanwalt Antonio Di Pietro meinte, Spatuzza habe um sein Leben zu bangen. "Spatuzza ist jetzt ein wandelnder Toter", so Di Pietro.

Seit 1991 eine Reihe von Gesetzen erlassen wurde, die Geständigen Strafnachlässe garantieren, stehen abtrünnige Mafiosi und deren Angehörige unter polizeilichem Schutz. Dank der Hilfe reuiger Kronzeugen konnten die italienischen Justizbehörden in den vergangenen Jahren sensationelle Erfolge im Kampf gegen die Mafia verbuchen. (APA)