"Die Grundfinanzierung schafft man in Österreich und dem gesamten kontinentaleuropäischen Raum nicht durch private Mittel", sagt der Vizerektor der Uni Wien, Heinz Engl.

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Österreich hat bis 2020 ein ehrgeiziges Ziel. Die Ausgaben für den Hochschulsektor sollen auf zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) angehoben werden, irgendwie. Derzeit werden für Universitäten, Pädagogische Hochschulen und Fachhochschulen lediglich 1,3 Prozent des BIP ausgegeben. Bis vor wenigen Wochen schien klar: Der Bund werde die Hauptlast für den Mehrbedarf an finanziellen Mitteln zu tragen haben. Doch nun ist alles anders, die Uni-Budgets sollen angesichts der Sparmaßnahmen im Verhältnis zum BIP eingefroren werden, de facto bedeutet dies eine jährliche Senkung. Trotzdem soll es mehr Akademiker geben und Struktur-Reformen sollen weiterhin durchgeführt werden.

Zur Finanzierung empfielt Wissenschaftsministerin Beatrix Karl (ÖVP) nun ein verstärktes Anwerben von und ein erhöhtes Engagement durch Unternehmen. Private Mittel sollen - wie in den USA oder in Großbritannien - stärker zum Uni-Budget beitragen. Derzeit werden österreichweit lediglich 0,1 Prozent des BIP aus dem privaten Bereich für die Hochschulen ausgegeben, im EU-Schnitt sind es 0,2 Prozent.

"Private Mittel sind nur die Butter auf das Brot", sagt der Vizerektor für Forschung und Nachwuchsförderung der Universität Wien, Heinz Engl, im Gespräch mit derStandard.at. Diese können nur zusätzliche Forschung ermöglichen, die "Grundausstattung" für Infrastruktur, Grundlagenforschung und Lehre müsse aus den Bundesmitteln gedeckt werden.

Private Mittel im Interesse der Wirtschaft

Wenn es im Hochschulbereich um Verbesserungen geht, werden die USA oft als Vorbild herangezogen. Dort werden wie in Südkorea 1,9 Prozent des BIP aus privaten Quellen für die Hochschulen ausgegeben, im OECD-Vergleich einsame Spitze. Engl warnt vor einem Vergleich: "Die Tradition des privaten Sponsoring in Amerika ist eine völlig andere", sagt Engl. US-amerikanische Unis, auch hier vor allem die privaten Universitäten, leben zum Großteil aus den Erträgen ihrer Vermögen, die aus Stiftungen oder Erbschaften entstanden sind.

In Österreich würden solche ungebundenen Spenden einen "Kulturwandel" voraussetzen. Eine Zusammenarbeit zwischen Universitäten und Unternehmen erfolgt bislang meist nur bei konkreten Forschungsprojekten. Die TU Graz hat beispielsweise von Frank Stronachs Firma Magna profitiert, die Uni Linz von der Voest, der Universität Wien finanziert Telekom Austria eine Stiftungsprofessur. "Das Geld hat dann ein bestimmtes Mascherl. Die Grundfinanzierung schafft man in Österreich und dem gesamten kontinentaleuropäischen Raum nicht durch private Mittel", sagt Engl.

Reduzierung der Uni-Budgets schwächt Möglichkeiten

Über das Bundesbudget (für die Uni Wien im Jahr 2009 rund 380 Millionen Euro) hinaus sind Drittmittel eine wichtige Einnahmequelle für die Unis. Drittmittel setzen sich aus verschiedenen nationalen wie europäischen Fördertöpfen sowie den privaten Mitteln zusammen. Trotz ihrer Zweckwidmung für bestimmte Forschungsaufgaben haben sie Auswirkungen für die Universitätsstruktur. Von den 6.747 Personen, die an der Uni Wien im wissenschaftlichen Bereich arbeiten, sind derzeit 1.229 Personen durch Drittmittel finanziert.

Insgesamt konnte die Uni Wien im Jahr 2009 rund 58 Millionen Euro an Drittmittel lukrieren, den größten Anteil stellen Mittel des FWF (Wissenschaftsfonds) mit 29,6 Millionen Euro bzw. Mittel aus EU-Forschungsprojekten (7,4 Millionen Euro) dar. "Um überhaupt ein interessanter Partner zu sein, müssen wir die Grundstruktur auf neuestem Stand haben", sagt Engl. Die Industrie kooperiere nur dann mit den Universitäten, wenn Kompetenz und Geräte vorhanden sind. Reduziert man die Bundesmittel, sinkt die Qualität der Infrastruktur, weniger Drittmittel können in der Folge erzielt werden. "Dadurch wird auch unsere Konkurrenzfähigkeit, private Mittel einzuwerben, geschwächt", sagt Engl.

Ein Viertel weniger private Mittel durch Wirtschaftskrise

Hinzu kommt, dass in wirtschaftlich schwierigen Zeiten private Mittel keine verlässliche Größe sind. Von 2008 auf 2009 gingen die privaten Mittel an der Uni Wien um 25 Prozent zurück. Sponserten 2008 Unternehmen wissenschaftliche Forschung an der Uni Wien mit 3,5 Millionen Euro, so waren es 2009 nur mehr 2,6 Millionen Euro.

Ein Beispiel: Mit einem großen internationalen Unternehmen hat die Uni Wien eine Forschungs- und Entwicklungs-Kooperation. Jetzt, wo es für das Unternehmen in die Produktion geht, sind Zahlungen für Patente und ähnliches fällig. Mit Verweis auf die wirtschaftliche Lage hat das Unternehmen gefordert, diese Gebühren auf die Hälfte zu reduzieren. Man habe sich zwar dann in der Mitte getroffen - so Engl -, aber so sei im Moment die Situation. "Jetzt ist nicht die Zeit dazu, über die Erhöhung der privaten Mittel zu reden, weil auch die Industrie spart", stellt Engl klar.

Zehn Prozent Budgetverlust

Engl hofft, dass kolportierte größere Mittelkürzungen nicht eintreten, denn ein Einfrieren der Budgets würden einen realen Budgetverlust von Zehn Prozent innerhalb der Leistungsvereinbarungsperiode 2013 bis 2015 bedeuten. "Wenn man die Budgets einfriert, wäre es die absolute Katastrophe", so Engl. Der Spagat zwischen Spitzenforschung und Strukturreformen - wie zum Beispiel die Verbesserung der teilweise "unzumutbaren Betreuungsverhältnisse" - würde in den nächsten Jahren zu großen Problemen führen.

"Die Studentenproteste sind ja nicht ohne Grund entstanden. Je weniger das Geld wird, desto schwieriger wird es, beides ausgewogen zu machen. Am schnellsten zerstört man die Spitze", sagt Engl. Die universitätsinterne Verteilung, die jetzt schon vielfach eine Mängelverwaltung ist, werde jedoch immer schwieriger.

Engl: Gefahr für Wissenschaftsstandort Österreich

Engl sieht dadurch auch den Wissenschaftsstandort Österreich in Gefahr, da Spitzenforscher vermehrt ins Ausland - wo sie bessere Bedingungen vorfinden - abwandern könnten. Während in Deutschland - selbst in Zeiten eines 80 Milliarden schweren Sparpakets - 12 Milliarden zusätzlich in Forschung und Bildung investiert werden, wird in Österreich gespart. Für Engl unverständlich: "Österreich hat in den letzten zehn Jahren im Aufholprozess bei der Forschung viel erreicht. Das was in zehn Jahren durch koordinierte Investitionen aufgebaut wurde, kann man in zwei Jahren schnell zerstören", so Engl.

Während sich die Schweiz und eventuell Deutschland zu großen Forschungsstandorten weiterentwickeln werden, werde sich Österreich, wenn die angekündigten Einsparungen Realität werden, zurückentwickeln. „Vom Aufschluss zur Leadership kann dann keine Rede sein", sagt Engl. (seb, derStandard.at, 21.6.2010)