"Das ist das Schöne: Die große Gemeinschaft mit den vielen Persönlichkeiten, die uns ausmachen."

Foto: Isabel Russ

"Die Menschen wählen uns nicht aus Protest, sondern weil sie wollen, dass wir unsere Inhalte umsetzen. Sie haben es satt, wie die beiden Regierungsparteien mit der Macht umgehen."

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Perfekt vorbereitet: Strache und seine Handzettel.

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"Es ist schon so, dass meine Mannschaft sichtbarer gemacht wird und das ist gut und richtig."

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"Jeder Mensch hat ein Recht auf seine Privatsphäre."

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"Weil man in den Medien immer wieder versucht einem HC Strache mit allen möglichen Geschichten und Diffamierungen zu schaden und ihm Intelligenz abzusprechen."

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Künftiger Kanzler? "Warum nicht? Ich bin der jüngste Parteichef aller Parteien, aber der mit der längsten politischen Erfahrung."

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Wegen der anstehenden ORF-Parlamentsdebatte ist sein Büro belegt, der Chef der größten Oppositionspartei Heinz-Christian Strache muss für das Interview in ein anderes ausweichen. Über zwanzig Prozent will er bei der Wien-Wahl im Oktober holen und die Bundeshauptstadt aus der "Allmacht der SPÖ" befreien. Die FPÖ sieht er wie einen "Gesamtorganismus, mit vielen Teilbereichen", von Protestpartei sei schon lange keine Rede mehr: "Die Menschen wollen, dass wir unsere Inhalte umsetzen", sagt er im Gespräch mit derStandard.at. Außerdem erklärt er, wieso der HC-Rap und der EU-Comic unter dem Zeichen "Freiheit für Kunst" stehen: "Die Kunst sollte man nicht nur den linken Meinungsmachern überlassen".

derStandard.at: Arigona Zogaj bekam gestern ihren negativen Asylbescheid – Ein Freudentag für Sie?

Heinz-Christian Strache: Nein, es ist nur die Bestätigung dessen, was wir seit Jahren aufzeigen: Dass Asylmissbrauch in Österreich möglich ist, dass der Rechtsstaat mit Füßen getreten wird. Der Verfassungsgerichtshof hat nur die Meinung der Freiheitlichen Partei bestätigt. Ehrlich verfolgte Menschen sollen Hilfe erhalten, aber wir sollen uns nicht missbrauchen lassen.

derStandard.at: In einer OTS von Ihnen steht, die Devise sei "Abschieben statt Aufschieben". Ich dachte eigentlich jetzt sei Schluss mit den markigen Sprüchen, die FPÖ will in Zukunft mit "Positivthemen" punkten.

Strache: Das ist ja positiv: Abschieben statt Aufschieben.

derStandard.at: Wenn ein 18-Jähriges voll integriertes Mädchen aus ihrem Lebensumfeld gerissen wird?

Strache: Die Menschen erwarten, dass man, wenn Rechtsbruch gelebt wird, handelt und nicht untätig zusieht.

derStandard.at: In Wien wird bereits für die Wahl plakatiert – Die FPÖ verwendet Slogans wie "Endlich Gerechtigkeit" oder "Endlich Respekt". Sind Sie ein besserer Sozialdemokrat als Michael Häupl?

Strache: Ich bin jemand, der mehr soziale Verantwortung lebt und der Wien in eine bessere und sozial gerechtere Zukunft führen will. Hier erleben wir eine katastrophale Fehlentwicklung. Wien braucht eine Befreiung von der sozialistischen Allmacht und Präpotenz, die handelt, als ob die Stadt ihr gehören würde und die Bürger nicht mehr ernst nimmt. Als Häupl 1994 angetreten ist, war sein Ziel Vollbeschäftigung. Heute haben wir 35.000 Arbeitsplätze weniger. Wenn man es sich leisten kann, in den richtigen Wohnungen zu leben und die richtigen Wohnungen zu beziehen, dann ist Wien eine der lebenswertesten Städte der Welt. Aber reden wir mit den Menschen, die heute im 20. Bezirk wohnen.

derStandard.at: Schaffen Sie im Oktober über 20 Prozent?

Strache: Das ist mein Ziel: über zwanzig Prozent zu kommen. Je mehr desto besser. Die Allmacht der SPÖ muss gebrochen werden. Ich will den Bürger in den Mittelpunkt stellen und nicht als Bittsteller behandeln.

derStandard.at: Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie Bürgermeister werden, ist aber nicht existent.

Strache: Ich hab mit Kärnten ein gutes Beispiel. Dort hatte die SPÖ über Jahre hindurch eine absolute Mehrheit, wo keiner gedacht hat, dass sich das einmal ändern wird. Heute ist die SPÖ Kärnten in der Bedeutungslosigkeit.

derStandard.at: Würde Sie ein Kärntner fragen, was würden Sie ihm raten: Zur FPÖ zu gehen oder zur FPK?

Strache: Beides ist möglich.

derStandard.at: Macht also keinen Unterschied für Sie?

Strache: Wer Mitglied der FPÖ Kärnten wird, ist Bundesmitglied der Partei und da wird es eine Kooperation geben.

derStandard.at: Harald Jannach (Kärnten FPÖ-Chef, Anm.) dürfte das anders sehen.

Strache: Das obliegt ja jeder Person, andere Überlegungen, andere Überzeugungen zu haben. Zumindest bei den Verhandlungen, wo Jannach neben mir da war, hat er keine Kritikpunkte formuliert.

derStandard.at: In den vergangenen Wochen waren Sie in der Öffentlichkeit wenig präsent. Hängt das mit der so genannten Verbreiterung der Parteispitze zusammen?

Strache: Es ist schon so, dass meine Mannschaft sichtbarer gemacht wird und das ist gut und richtig. Aber ich zähle immer noch zu den Politikern mit den meisten Nennungen in der Medienlandschaft.

derStandard.at: Der FPÖ droht eine Rückzahlung wegen des EU-Comics. Darin spielen Sie einen halbnackten Superhelden. Ein kürzlich erschienenes Buch "Blausprech" beschäftigt sich mit den Wahlkampfstrategien der FPÖ – Der Autor Benedikt Narodoslawsky kommt darin unter anderem zu dem Schluss, dass Ihnen nichts peinlich ist. Würden Sie das auch den anderen Parteichefs raten?

Strache: Nein, ich verstehe, dass die anderen nervös und aufgeregt sind, wenn man im Bereich der modernen Kommunikationstechnik um Lichtjahre voraus ist. Zum Beispiel auf Facebook, wo politische Mitbewerber im Gegensatz zu mir keine Akzeptanz finden. Das Schöne ist, dass wir Kunst einsetzen. Die Freiheit der Kunst macht möglich, Dinge anders anzusehen, als in einer normalen politischen Debatte. Die Kunst sollte man nicht nur den linken Meinungsmachern überlassen. Also haben wir mit dem HC-Rap und dem Comic zwei Kunstbereiche verwendet, um in der modernen Kommunikationsebene an Menschen heranzukommen und Themen zu vermitteln.

derStandard.at: Es heißt außerdem: "Die FPÖ ist ergebnisorientiert und hat keine Tabus". Was wäre ein Tabu für Sie?

Strache: Wir haben selbstverständlich Tabus. Wenn es um Rechtsbruch geht ...

derStandard.at: Nein, Sie als Person: Gäbe es – wahlkampfstrategisch – etwas, was Sie nicht machen würden?

Strache: Es ist wichtig die Wahrheit aufzuzeigen und die Probleme der Menschen anzusprechen. Man erlebt oft, dass politische Mitbewerber Probleme totschweigen wollen, die sie selbst geschaffen haben.

derStandard.at: Das war jetzt nicht wirklich die Antwort ...

Strache: Das war nicht das, was Sie hören wollten.

derStandard.at: Ich dachte ja eher, Sie sagen mir etwas Konkreteres. Aber nein?

Strache: Immer rechtskonform auf demokratischem Boden, das ist mein Anspruch.

derStandard.at: Na, das würde wohl jeder Bürger sagen. Das ist nichts, was Sie jetzt auszeichnen würde, oder?

Strache: Mich zeichnet aus, dass ich mir kein Blatt vor den Mund nehme. Ich bin niemand, der sich biegen oder brechen oder einschüchtern lässt.

derStandard.at: Ein blauer Funktionär hat einmal gesagt: "Der Kickl ist das Hirn, der Strache das Herz". Auch Ihre Meinung?

Strache: Wir sind beide Hirn und Herz. So wie alle 60.000 Mitglieder. Das ist das Schöne: Die große Gemeinschaft mit den vielen Persönlichkeiten, die uns ausmachen. Ich bin der Parteiobmann, derjenige, der die große Verantwortung auf den Schultern zu tragen hat. Die FPÖ ist wie ein Gesamtorganismus, mit vielen Teilbereichen.

derStandard.at: Die Politik der FPÖ ist eine, die emotionalisiert. Man zeigt Probleme auf, attackiert den Gegner. Lösungskompetenzen spricht man der Partei aber ab. Braucht es die nicht, um nachhaltig erfolgreiche Politik zu machen?

Strache: Die Menschen wählen uns nicht aus Protest, sondern weil sie wollen, dass wir unsere Inhalte umsetzen. Sie haben es satt, wie die beiden Regierungsparteien mit der Macht umgehen. Man hat die hohe Arbeitslosigkeit satt, und dass die Kriminalität steigt und bei der Exekutive eingespart wird. Die Menschen wollen unseren Weg inhaltlich gestärkt wissen, damit wir mit genügend Stimmen erste oder zweite Kraft des Landes werden und unsere Vorschläge durchbringen können.

derStandard.at: Viele sagen, die FPÖ tauge wegen ihres Protestanspruchs nicht als Regierungspartei.

Strache: Ganz im Gegenteil. Wenn man den Führungsanspruch hat, hat man auch die Kraft die Inhalte umzusetzen. Vorgänger von mir haben sicher den Fehler gemacht, in eine Koalition zu gehen und die Inhalte zu vergessen. Das wird es bei mir nicht geben.

derStandard.at: Sehen Sie sich als einen zukünftigen Kanzler?

Strache: Warum nicht? Ich bin der jüngste Parteichef aller Parteien, aber der mit der längsten politischen Erfahrung.

derStandard.at: Der Jugendforscher Bernhard Heinzelmeier sagt, Sie seien für viele junge Wähler eine interessante, schillernde Figur und fast ein Popstar. Fühlen Sie sich als Popstar?

Strache: Nein, das bin ich nicht. Was mich freut ist, dass, wenn ich in der Öffentlichkeit unterwegs bin, Menschen sehr freundlich auf mich zukommen. Weil ich jemand bin, der authentisch ist und sich nicht versteckt.

derStandard.at: Ihr Privatleben ist in Österreichs Medien viel präsenter als das anderer Parteichefs (siehe: Facebook-Dialog).

Strache: Das haben Sie gut analysiert und da muss man sich die Frage stellen, wieso das so ist. Weil man immer wieder versucht einem HC Strache mit allen möglichen Geschichten und Diffamierungen zu schaden und ihm Intelligenz abzusprechen. Aber das ist durchschaubar und ärgert viele Menschen. Prinzipiell ist das Privatleben tabu. Das wäre übrigens ein Tabuthema, wie von Ihnen vorher angesprochen.

derStandard.at: Also gibt es doch eins.

Strache: Jeder Mensch hat ein Recht auf seine Privatsphäre.

derStandard.at: Sanktionieren Sie das? Wenn zum Beispiel Österreich Ihre Facebook-Kommunikation veröffentlicht.

Strache: Natürlich denkt man über Mittel und Methoden nach, wenn es eine Regelmäßigkeit bekommt. Gegen Österreich habe ich 14 Prozesse gewonnen. Aber Interviewverweigerung ist nicht nötig, weil die Menschen ein gutes Gespür haben.

derStandard.at: Wer wird die WM gewinnen?

Strache: Ich bin kein Hellseher. Aber ich glaube es könnte Brasilien, Deutschland oder Italien sein. (nik, derStandard.at, 17.6.2010)