Hast du das Loch schon gestopft, Daddy?" Das habe Malia, Barack Obamas elfjährige Tochter, den US-Präsidenten beinahe flehend gefragt, ließ das Weiße Haus unlängst verbreiten. Die Nachricht sollte zeigen, dass der oft so distanziert wirkende Obama die Ängste vor der Umweltkatastrophe im Golf von Mexiko ernst nimmt, dass er sich um besorgte Menschen kümmert. Und der Präsident selbst ließ danach in bisher völlig ungewohnter Sprache wissen, er wolle herausfinden, "in welchen Hintern ich treten muss", um endlich positive Nachrichten von der lecken Ölquelle vor New Orleans zu bekommen.

Jetzt, nur ein paar Tage später, ist er, um in Barack Obamas Sprachbild zu bleiben, längst selbst damit beschäftigt, seinen eigenen Hintern politisch bedeckt zu halten. Die Ölkatastrophe könnte nicht nur all seine politischen Ambitionen nachhaltig beschädigen, seine gesamte Präsidentschaft droht im Ölschlick zu versinken.

"Jimmy Carters Präsidentschaft hat die mehr als ein Jahr andauernde Geiselnahme in der US-Botschaft in Teheran gekillt, George W. Bushs Präsidentschaft der Hurrikan ,Kathrina', und nun ist offenbar Obama dran", analysiert Ronald J. Hrebenar, ein amerikanischer Politologe, der sich dieser Tage in Wien aufhält, die Lage ein wenig salopp. Die Amerikaner wollten einen handlungsfähigen Präsidenten sehen, der mit allem fertig werden kann. Einen Übervater, den weder Naturgewalten noch politische Widerstände aufhalten könnten. Diesem Wunschbild entspreche der Amtsinhaber derzeit wohl gar nicht.

Im Gegensatz zu Carter und Bush allerdings hat Obama im aktuellen Fall äußerst wenige Handlungsoptionen. Der Präsident ist von BP und deren Technologie völlig abhängig. Weder zivile Kräfte noch Militär verfügen in Amerika über das Know-how, die in der Tiefsee unablässig sprudelnde Ölquelle zu versiegeln. Dass der Präsident nun die Spitzen von British Petroleum antanzen lässt und ihnen einen milliardenschweren Kompensationsfonds abnötigen will, kaschiert die Hilflosigkeit Obamas nur notdürftig.

Wann immer das Bohrloch endgültig gestopft sein wird - und es spricht vieles dafür, das dies erst im August der Fall sein wird - die politischen Konsequenzen des Desasters werden so zähflüssig und schwer zu entfernen sein wie das angespülte Rohöl an den Stränden der Südstaaten.

Obamas Regierung hat nach den Erfolgen mit der Gesundheitsreform und dem Start-Abkommen mit Russland wieder den Tritt verloren. Keines der Themen wie Immigrationsreform oder Finanzmarktregulierung, die die republikanische Fundamentalopposition in Bedrängnis bringen könnten, hat in den kommenden Monaten eine Chance, in der Öffentlichkeit auch nur ansatzweise wahrgenommen zu werden.

Für die Midterm-Wahlen im kommenden November könnte das fatale Folgen haben. Ist mit dem Verlust von Ted Kennedys Sitz im Senat schon die Filibuster-sichere Mehrheit im Senat dahin, könnte jene im Repräsentantenhaus ebenso schwinden. Und Obama, einst der große Hoffnungsmann der Amerikaner, wäre vollends vom guten Willen konservativer Demokraten oder gar der Republikaner abhängig. Was diese mit hahnebüchenen Vorwürfen wie seinem Sozialismus oder seinem angeblichen muslimischen Glauben nicht geschafft haben, hätte BP erledigt: Aus einem Präsidenten, der alles verändern wollte, wäre ein Präsident geworden, der nur noch die Hände in den Schoß legen kann. (Christoph Prantner, DER STANDARD Printausgabe 17.6.2010)