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Ein südafrikanischer Fan zurück auf dem Boden der Realität. Bafana Bafana und die Hoffnung aufs Achtelfinale war wohl nur eine Illusion, eine sympathische Selbstüberschätzung.

Foto: EPA/Fourie

"Es war die erste Nacht, in der die Vuvuzelas still waren. Es war eine schmerzhafte Nacht." Chef-Organisator Danny Jordaan wirkte am Morgen danach unausgeschlafen und angeschlagen. Diesen Zustand teilte er mit rund 47 Millionen seiner südafrikanischen Landsleute. Auswärtige wiederum waren naturgemäß putzmunter. Könnten geschundene Ohren schreiben und lachen, sie hätten SMS mit Glückwunschbotschaften nach Uruguay geschickt und sich vor Vergnügen auf die Steigbügel geklopft. Herr Jordaan teilte diese Art von Humor nicht. "Das Abschneiden des Gastgebers ist immer entscheidend für den Erfolg eines Events."

Selbstüberschätzung

Bafana Bafana ist wohl nur eine Illusion. Eine sympathische Selbstüberschätzung. Die Leistung beim 0:3 gegen Uruguay war haarsträubend und mutlos, da schoss einem glatt der perverse Gedanke ein, dass gegen diese Mannschaft sogar Österreich eine Chance gehabt hätte. Die südafrikanischen Zeitungen erschienen quasi schwarz umrandet, vom "Ende der Traums" und "einer toten Mannschaft" war zu lesen. Die Durchhalteparolen klangen halbherzig, wobei nicht abgestritten wurde, dass am 22. Juni noch Frankreich wartet. Selbst ein Sieg von Bafana Bafana könnte für das Achtelfinale zu wenig sein.

Den Helden vom 1:1 gegen Mexiko wurde gehörig eingeschenkt, der legendäre Torschütze Siphiwe Tshabalala kam diesmal ganz schlecht weg. Er müsse endlich lernen, den Ball zu stoppen, hieß es. Vielleicht belegt Tshabalala bis zum Frankreich-Spiel einen Intensivkurs.

Der Abend davor. Das Loftus Versfeld Stadium in Pretoria war bereits halbleer, als Diego Forlan in der 80. Minute per Elfer auf 2:0 erhöht hatte. Eine gespenstische Stille. Die Verbliebenen schauten drein, als hätte sie ein Bus gestreift. Manche weinten, ihre Tränen froren zu Eiszapfen (zulässige Übertreibung). Vuvuzelas wurden geknickt, einige Aufrechte fluchten, schimpften Trainer Carlos Alberto Parreira, schlugen vor, der Zauberer möge heim nach Brasilien fliegen. Das tut er nach der WM unaufgefordert.

Der 67-jährige Parreira wirkte bei der Pressekonferenz gefasst. Natürlich seien alle frustriert, als Trainer des Gastgebers trage man mehr Verantwortung, die Erwartungshaltung sei enorm. "Wir fighten weiter. Es ist nicht vorbei." Dass er dabei nicht die eigene Zunge verschluckt hat, zeugt von Routine und Selbstdisziplin.

Von der größeren Erfahrung der Urus hat er geschwafelt, von der Klasse des zweifachen Torschützen Diego Forlan und davon, dass die Leute nach wir vor stolz auf Bafana Bafana sein können. "Wir werden gegen Frankreich, das erfahrener ist, bis zum Umfallen kämpfen. Der Geist lebt."

Und dann packte er zwecks Ablenkung einen Klassiker des Fußballs aus, zog über den Schiedsrichter her, das kommt immer und überall gut an. Parreira nannte Massimo Busacca einen Italiener, dabei stammt der aus der Schweiz, aber das ist nur ein Detail, und Busacca klingt italienisch. "Er war bislang der schlechteste Schiri, er hat von Anfang an gegen uns gepfiffen. Er entscheidet falsch, gibt falsche Karten, einen lächerlichen Elfer, und dann lacht er auch noch. Ich hoffe, ich sehe sein Gesicht nie mehr. Er hat es nicht verdient, hier zu sein."

Busaccas Vergehen waren in der Tat hinterhältig: Er entschied in der 74. Minute zu Recht auf Elfer, schloss Südafrikas Keeper Khune zu Recht aus, bei Torraub ist laut Reglement die rote Karte fällig, das hat sich der Schweizer nicht aus den Fingern gesaugt. Und für die sechsminütige Unterbrechung bis zur Verwandlung durch Forlan konnte er auch nichts, Ersatzkeeper Josephs hatte gebrodelt. Die Fifa ermittelt übrigens nicht gegen Parreira.

Organisator Jordaan bestätigte, dass die WM auch ohne Bafana Bafana bis 11. Juli dauert. (STANDARD PRINTAUSGABE 18.6. 2010)