Washington/Bodo/Wien - Während die Welt auf den Ölfilm vor der US-Küste starrt und US-Präsident Barack Obama und BP versuchen, durch deftige Worte und enorme Entschädigungssummen zumindest die eigenen Imageschäden in Grenzen zu halten, werden vergleichbare Katastrophen anderswo gerne ignoriert.

Shell statt BP

Und das über Jahrzehnte: Im Nigerdelta, wo Shell (der weltgrößte Energiekonzern) seit fast 50 Jahren nach Öl bohrt, gelangt jedes Jahr so viel Öl in den Boden, wie beim Unglück der "Exxon Valdez" ins Meer kam - also rund 41 Millionen Liter.

"Obama sorgt sich deswegen - aber niemand kümmert sich darum, was hier passiert", zitierte die International Herald Tribune am Donnerstag den nigerianischen Regionalverwaltungsbeamten Clayuts Kanye. "Die Fischerei ist tot: Früher gab es hier sogar Shrimps." Heute lebt in der schlammig braunen, nach Petroleum stinkenden Suppe in den Mangrovensümpfen nichts mehr.

Lecks in Pipelines

Tatsächlich ist die Ölverseuchung des Nigerdeltas lange dokumentiert. 6000 Kilometer Pipelines laufen durch das Land. Viele sind veraltet, haben Löcher und undichte Stellen. Zu Lecks, die oft monatelang nicht gestopft werden, führen auch Öldiebstähle durch die Bevölkerung, die im Gegensatz zur Regierung nicht an den Gewinnen (seit Beginn der Förderungen angeblich 600 Milliarden Dollar) partizipiert.

"Widerstand gegen die Ölunternehmen wird mit Gewalt niedergeschlagen", heißt es auf der Homepage von Amnesty International, "Regeln und gesetzliche Vorschriften zur nachhaltigen Gewinnung von Öl werden nicht eingehalten ... Die Menschen werden nicht über die Auswirkungen auf die Umwelt informiert."

Der "Teufelskreis aus Umweltverschmutzung, Armut und Menschenrechtsverletzung" ist bei Amnesty auf 147 Seiten beschrieben - aber dass das kaum jemanden interessiert, wissen die Bewohner der Region: Im Deutschlandfunk erzählte unlängst ein Bauer über seinen täglichen Sisyphuskampf gegen den Ölschlamm, der täglich aus einer Pipeline tropft und seine Felder "düngt" - und schloss mit einem Seufzer: "Nein, es gibt keine Hilfe - niemand will etwas für uns tun." (Thomas Rottenberg, DER STANDARD Printausgabe, 18.6.2010)