Bild nicht mehr verfügbar.

Naidoo über die WM: "Es wurde zu wenig Nachhaltiges gemacht."

Foto: EPA/Hofford

Bild nicht mehr verfügbar.

Die Nachnutzung des neu errichteten WM-Stadions Mbombela mitten in der armen Region Mpumalanga ist fraglich.

Foto: EPA/Shivambu

Standard: Verfolgen Sie das Turnier in Südafrika?

Naidoo: Natürlich fiebere ich mit, auch wenn es für Südafrikas Team nicht so gut läuft. Die Vorbereitungen haben vor vier Jahren begonnen, alleine die Vorfreude darauf hat schon Optimismus im Land verbreitet. Wenn man daran denkt, dass bis vor ein paar Jahrzehnten ein Großteil der Bevölkerung in kolonialer Knechtschaft lebte, ist das schon unglaublich.

Standard: Überwiegen die positiven Gefühle?

Naidoo: Schwer zu sagen. Allein wenn man weiß, wie viel Gewinn die Fifa mit dem Turnier macht und wie viel Geld die Regierung von Südafrika dafür ausgegeben hat. Es bereitet Unbehagen, wenn man sich nur ausmalt, mit diesen Geldern wäre der Kampf gegen die Armut, der Kampf gegen HIV und Aids unterstützt worden. Außerdem hätte die WM viel "grüner" sein können.

Standard: Ist bei all der Euphorie, die bei der WM herrscht, überhaupt Platz, um auf Umweltthemen aufmerksam zu machen?

Naidoo: Natürlich. Um fair zu bleiben: Es wurden Anstrengungen unternommen. Aber es wurde viel zu wenig Nachhaltiges gemacht. Ein Projekt von Greenpeace war zum Beispiel, in einem Dorf außerhalb von Johannesburg eine Schule zu errichten, die nur mit Solarenergie versorgt wird. In diesem Dorf gibt es keinen Strom, die Menschen können die WM-Spiele nicht einmal im Fernsehen verfolgen. Wir veranstalten deswegen dort ein Public Viewing, tausende Leute schauen jeden Tag vorbei. Und nach der WM bleiben in diesem Dorf Solarzellen stehen. Und eine Schule, die ausschließlich damit betrieben wird.

Standard: Diese WM ist neun Mal so umweltschädlich wie jene 2006, weil Kohlekraftwerke mehr als 90 Prozent des Stroms in Südafrika erzeugen. Wie sieht's mit erneuerbaren Energien aus?

Naidoo: Die Regierung will den Stromanteil von erneuerbaren Energiequellen bis 2020 auf 25 Prozent hochschrauben. Wir glauben, dass es 50 Prozent sein sollten. Südafrika, eigentlich ganz Afrika, hat wirklich ein riesiges Potenzial an erneuerbaren Energien. Wir haben über 300 Sonnentage im Jahr, dazu viel Wüstenland, wo die Solarzellen stehen können. Und es gibt Wind am und Wellen im Meer. Wir müssen den Klimawandel als Gelegenheit sehen, auf diese Energieformen zu setzen.

Standard: Was bleibt von der WM?

Naidoo: Die neuen Zug- und Busverbindungen helfen auch den Ärmeren in der Bevölkerung. Die Frage ist, wie die arbeitende Bevölkerung die öffentlichen Transportsysteme aufnimmt, ob sie dafür auch ihre Autos stehen lassen. Andererseits ist die Nachnutzung einiger Bauten fraglich. Das Mbombela-Stadion mit mehr als 40.000 Sitzplätzen wurde mitten in die arme Mpumalanga-Region gesetzt. Ich würde nicht viel Geld darauf verwetten, dass sich das Stadion noch rentiert.

Standard: Kann man Menschen, die in den ärmsten Gegenden leben, mit Umweltschutzthemen überhaupt erreichen?

Naidoo: Die Antwort muss lauten: "Yes, we can!" Wir müssen gerade die Arbeiter als Umweltaktivisten gewinnen. Und auch die, die täglich ums Überleben kämpfen müssen. Das ist unser Ziel als Greenpeace. Natürlich ist das schwer, diese Menschen haben andere Probleme. Aber wenn wir gemeinsam die Regierung unter Druck setzen, auf erneuerbare Energien zu setzen, und sie dafür "grüne" Jobs schaffen muss, hilft das sowohl der Umwelt als auch dem Kampf gegen die Armut.

Standard: Wer wird Weltmeister?

Naidoo: Um ehrlich zu sein, und das ist vielleicht keine populäre Antwort: Am meisten hat mich bisher Nordkorea beeindruckt. Ich hoffe, dass es ein afrikanisches Team machen wird. Aber mein Weltmeister-Tipp ist Argentinien. (David Krutzler, DER STANDARD Printausgabe, 19./20.6.2010)