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Foto: APA/EPA/Sipola

Mit den Attributen "jung" und "weiblich" schafft Mari Kiviniemi jeweils knapp den zweiten Platz. Denn erst einmal vorher in Finnlands Geschichte gab es mit Anneli Jäätteenmäki eine Frau an der Spitze des Staates. Und nur Parteikollege Esko Aho war - mit 36 Jahren - bei Amtsantritt noch jünger als die 41-jährige Kiviniemi.

Auch politisch stand Kiviniemi bis Anfang dieses Jahres als mögliche Nachfolgerin des bisherigen Premiers Matti Vanhanen in der zweiten Reihe. Als Favoritin galt die beliebte Umweltministerin Paula Lehtomäki. Erst nach deren Abwinken rückte Kiviniemi allmählich auf. Am vergangenen Samstag wurde sie zur Chefin der ländlichen Zentrumspartei gewählt, am kommenden Dienstag soll sie zur Premierministerin ernannt werden.

Gleich nach ihrer Kür zur Parteichefin überraschte Kiviniemi, die bisher eher den Ruf einer kompetenten, aber grauen Systempolitikerin hatte, mit einer Kampfansage. Sie steckte ihrer Partei, die zuletzt in Umfragen zurückgefallen war, das Ziel, bis zu den Wahlen im April 2011 an die Spitze der Wählergunst zurückzukehren.

Kiviniemi markierte auch gleich den Führungsanspruch in einer künftigen Koalition, indem sie mit den oppositionellen Sozialdemokraten Gespräche über die Bekämpfung der Wirtschaftskrise aufnahm - zum merkbaren Erstaunen des derzeitigen Koalitionspartners, der konservativen Sammlungspartei. Einige finnische Zeitungen deuteten das bereits als Signal für Kiviniemis Wunschkoalition.

Insgesamt wirkte Kiviniemi am Wochenende nach ihrem Sieg im Tauziehen um den Parteivorsitz und damit das Amt des Ministerpräsidenten ungewöhnlich ausgelassen und gelöst. Als "Stadtblume" hatte sie bis zum Schluss um ihre Wahl innerhalb ihrer - von einer extrem wertkonservativen Landbevölkerung getragenen - Partei zittern müssen. Beobachter werten die Wahl als einen "radikalen Neuanfang" der Partei, und als ei-nen Versuch, die eigene Macht zu erhalten.

Kiviniemi hat nun die Chance, ihren Makel als ewige Zweite loszuwerden, indem sie frische Duftmarken setzt, und anschließend einen Wahlsieg einfährt. Mutige Entscheidungen sind in einem Land, dessen Musterknabenimage angesichts des schwächelnden Handy-Giganten Nokia, einer vor Überalterung stehenden Bevölkerung sowie der großen Schuldenlast der Haushalte angekratzt ist, sicherlich gefragt. (Andreas Stangl/DER STANDARD, 19.6.2010)