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Gerhard Scheidl, Leiter des Zentrums für Medienbildung an der Pädagogischen Hochschule Wien.

Foto: PH Wien/APA-OTS/Ian Ehm

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"Es gibt Studien, die zeigen, dass Sozialkompetenzen durch den Einsatz kooperativer Lernformen und durch anwendungs- und problemorientierten Unterricht gefördert werden können."

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Mit dem Projekt "campusPLUS" erprobt die Pädagogische Hochschule (PH) Wien, wie Schule in Zukunft aussehen könnte: "Digitale Schultasche" und "Elektronische Tafel" werden getestet. Gerhard Scheidl, Leiter des Zentrums für Medienbildung der PH Wien erklärt, welchen Nutzen virtuelle Hilfsmittel für Schüler haben könnten.

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derStandard.at: Wie stellen Sie sich die Schule des 21. Jahrhunderts generell vor, was soll sich verändern?

Gerhard Scheidl: Diese Frage kann man unmöglich in gebotener Kürze zu beantworten, da die Problematik mit unterschiedlichen "Brillen" betrachtet werden müsste. Sehr plakativ gesagt sollen in der Schule des 21. Jahrhunderts alle Kinder gleichberechtigt lernen können und individuell gefördert werden. Detaillierter betrachtet bilden in der Schule des 21. Jahrhunderts selbstverständlich nach wie vor SchülerInnen, LehrerInnen und das (Fach)-Wissen die Eckpunkte des sogenannten "pädagogischen Dreiecks", die miteinander in Beziehung stehen.

Der Einsatz interaktiver Medien kann Initiator sein, diese Relationen zwischen den Punkten und damit das Lernen und die Lernkultur zu überdenken oder neu zu denken. Klassischer Unterricht zielt sehr stark auf die Vermittlung von Wissen ab während der Einsatz interaktiver Medien erweiterte Möglichkeiten für kooperatives Arbeiten bietet. Für das Lernen mit interaktiven Medien scheinen drei Faktoren wesentlich zu sein: die Förderung der Autonomie des Lernenden, die Förderung von sozialen Kompetenzen und die Förderung von Medienkompetenz. LehrerInnen müssen in der Lage sein, Lernumgebungen zu schaffen, an denen sich die SchülerInnen aktiv, selbstgesteuert und kooperativ beteiligen können.

derStandard.at: Im Rahmen Ihres Projekts "campusPLUS" eruieren Sie derzeit, welchen Nutzen virtuelle Hilfsmittel für den Unterricht haben könnten. Nehmen wir das Beispiel "digitale Schultasche": Das sind USB-Sticks oder Festplatten, auf denen für den Unterricht notwendige Softwareprogramme gespeichert werden. Welchen Nutzen könnte sie für die Schüler bringen?

Gerhard Scheidl: Neben dem Aspekt der Kostenfreiheit ist ein weiterer Vorteil, dass die Softwareapplikationen nicht auf dem Arbeitscomputer installiert werden müssen. Die Anwender starten die Programme direkt vom Stick und speichern ihre Daten wiederum auf dem Stick ab. Somit wird gewährleistet, dass die SchülerInnen an jedem beliebigen Windowsrechner mit USB-Port - ob zu Hause oder in der Schule - ihre gewohnte Arbeitsumgebung vorfinden.

derStandard.at: Auch die Verwendung eines "Interaktiven Whiteboards" (Elektronische Tafel) wird derzeit untersucht. Das sind große, berührungssensitive Tafeln, die mit einem Computer verbunden sind und auf deren Oberfläche Notizen angefügt oder Ergebnisse abgespeichert werden können. Worin liegen die Vorteile?

Gerhard Scheidl: Das interaktive Whiteboard vereint die Möglichkeiten herkömmlicher Medien, wie Tafel, Overhead-Projektor, Notebook mit Beamer, Flipchart und CD/DVD-Player. Bei dem von uns eingesetzten Produkt ist es möglich, dass Kinder sowohl mit Stiften als auch mit den Fingern an der Tafel schreiben, Multimediaobjekte wie Texte, Bilder, Audios oder Videos einfach mit der Hand verschieben und so sehr flexibel und kreativ Objekte erzeugen und miteinander kombinieren können.

Da die Software von SchülerInnen und LehrerInnen frei benutzt werden kann und auch ohne Anbindung an das interaktive Whiteboards funktioniert, können beispielsweise Referate oder Vorbereitungen zu Hause entwickelt und dann im Klassenraum via Board präsentiert werden.

derStandard.at: Warum ist es aus Ihrer Sicht wichtig, dass Schüler schon im Kindesalter mit Technologien dieser Art konfrontiert werden?

Gerhard Scheidl: Medien - und hier speziell digitale Medien - spielen in den Lebenswelten von SchülerInnen eine immer größer werdende Rolle. Da ein grundlegender Bestandteil pädagogischen Handelns eine reflektierende Begegnung und Auseinandersetzung mit Wirklichkeit ist, müssen Erziehung und Bildung Heranwachsende in ihrer Beziehung zur Welt beziehungsweise Wirklichkeit begleiten und fördern. Zu berücksichtigen ist auch das sich verändernde Nutzungsverhalten der Menschen im Umgang mit Medien. In virtuellen Angeboten agieren wir - und vor allem die heranwachsende Jugend - zunehmend sowohl als Konsumenten als auch als Produzenten von Inhalten. Wir werden so zu "Prosumenten" die auf diversen Plattformen Möglichkeiten der Artikulation von Interessen und Wünschen finden.

derStandard.at: Sind Kinder nicht schon von genug Technologie umgeben: Computer, Fernseher, Handy? Wird digitale Kompetenz geschaffen, während soziale verloren geht?

Gerhard Scheidl: Es gibt Studien die zeigen, dass Sozialkompetenzen durch den Einsatz kooperativer Lernformen und durch anwendungs- und problemorientierten Unterricht gefördert werden können. Durch den Einsatz von "Social Software" beispielsweise in Verbindung mit dem "interaktiven Whiteboard" können kommunikative und soziale Prozesse angeregt werden. Es ist aber darauf hinzuweisen, dass der Einsatz dieser neuen technischen Möglichkeiten per se nicht zu einem besseren Unterricht führt. Wesentlich ist, dass ein etwaiger potentieller Mehrwert erkannt und in geeigneten Lernszenarien genutzt wird. Auch möchte ich darauf hinweisen, dass diese Werkzeuge nur als Unterstützung von kooperativen und problemorientierten Arbeitsformen genützt werden und selbstverständlich durch deren Einsatz nicht die "face to face"-Kommunikation ersetzen können und dürfen. Dadurch geht soziale Kompetenz sicher nicht verloren, sondern wird auf mehreren unterschiedlichen Ebenen gefördert.

derStandard.at: Wann werden Technologien wie diese aus Ihrer Sicht in heimischen Schulen zum Einsatz kommen?

In Österreich wurde von engagierten LehrerInnen schon die eine oder andere "digitale Schultasche" mit unterschiedlichen Softwarezusammenstellungen gepackt. Der Einsatz "interaktiver Whiteboards" braucht sicher eine längere Vorlaufzeit. Während sie beispielsweise in Großbritannien schon fast Standard sind, steckt in Österreich diese Initiative, begründet durch den Kostenfaktor, noch in den Kinderschuhen. An einigen Standorten wird die "digitale Tafel" schon verwendet, sukzessive werden bei Schulneubauten oder Renovierungen immer mehr Boards den Schulalltag durchdringen. Mittelfristig - ich rechne mit einem Zeithorizont von etwa zehn bis 15 Jahren - wird an jedem Schulstandort zumindest ein Board zu finden sein. (red, derStandard.at)