Auf dem irischen Nationalgestüt werden seit 1900 Vollblutpferde gezüchtet. Eine weitere Attraktion: der japanische Garten.

Foto: Chris Hill 2006/Tourism Ireland
Foto: Chris Hill 2006/Tourism Ireland
Foto: Chris Hill 2006/Tourism Ireland

Ob der Botaniker William Robinson ein chaotischer Mensch war, ist nicht überliefert. Wahrscheinlich nicht, denn ein System gehört schon dazu, wenn man Chaos schaffen will – oder in diesem Fall: einen Dschungel. Quasi als Gegenkonzept zum viktorianischen Stil, der englischen Gartenkunst des 19. Jahrhunderts mit ihren zu Formen geschnittenen Büschen und Bäumen und streng angelegten Blumenteppichen.

Das Ergebnis seines Bemühens, Natürlichkeit statt Geformtheit in den irischen Gärten zu verankern, ist jedenfalls auch 75 Jahre nach seinem Tod und selbst für Verweigerer von Gärtnertätigkeiten beeindruckend: 50 Kilometer südlich von der irischen Hauptstadt Dublin, in Ashton in der Grafschaft Wicklow, erstrecken sich 23 Hektar geplante Wildnis.

5000 verschiedene, teilweise sehr seltene Pflanzenarten aus der ganzen Welt wachsen in Mount Usher Gardens, darunter 70 verschiedenen Eukalyptussorten – eine der Hauptattraktionen. Der Garten erstreckt sich links und rechts des Killiskey River, das stattliche Herrenhaus war einst eine Mühle, die der Dubliner Geschäftsmann und Initiator des Gartens, Edward Walpole Senior, 1868 übernahm.

Sean Heffernan, der Chefgärtner, der nicht ohne seinen Hund durch den Garten spaziert, kann zu jedem Baum und jedem Strauch des Gartens Geschichten erzählen. Wo der Blitz eingeschlagen hat, wie das Hochwasser auch die Schnecken wegschwemmte, und wie stolz er auf "Himalayan poppy" ist, seine derzeitige Lieblingspflanze mit einer kräftigen hellblauen Blüte, die nach sorgfältiger Pflege endlich gedeiht.

"Wir liiiiieeeben Gärten", versichert die Dame vom Fremdenverkehrsamt. Vielleicht auch, weil Irland ursprünglich sehr arm ist in Sachen Vegetation: Nicht einmal die Hälfte der sonst üblichen Pflanzenarten finde man auf der "grünen Insel", klärt der Reiseführer auf: während der letzten Eiszeit war die Insel fast gänzlich mit Eis bedeckt, die Vegetation erholte sich nicht ganz von dieser Zeit.

Heute gibt es in Irland zahlreiche Gartenclubs, Wettbewerbe und Tage der offenen Tür, an denen auch Privatleute ihre Gärten öffnen. Doch auch die öffentlich zugänglichen Gärten sind genug, um allein im Südosten des Landes mehrere Tage einzig mit Pflanzenbeschau zu verbringen.

Von Dublin aus reicht eine Fahrt von 20 Kilometern südlich nach Enniskerry, ebenfalls in der Grafschaft Wicklow, um sich bereits einen differenzierten Eindruck von der irischen Gartenbaukunst zu verschaffen. Die Parkanlage von Powerscourt, die sich hinter einem imposanten Schloss erstreckt, beginnt mit einem italienischen Garten, der über verschiedene Terrassen zu einem See hinunterführt. Südlich davon der japanische Garten mit Ahorn, Azaleen und den Glückspalmen. Einen ummauerten Bereich zieren Rosenbeete. Auf dem Tierfriedhof wird etwa Jack, dem Cockerspaniel, und Tommy, dem Shetlandpony, gedacht, tot seit 1922 und 1936.

Die Parkanlage von Powerscourt.
Foto: Chris Hill 2006/Tourism Ireland

Eine familiärere Variante findet sich nahe Waterford in der Grafschaft Wexford: Das alte Herrenhaus Kilmokea Country Manor aus dem 18. Jahrhundert mit dem preisgekrönten Restaurant und drei Hektar wildem Garten wird von der Familie Hewlett geführt. Mark Hewlett, der Hausherr, präsentiert mit britischem Akzent (seine Frau Emma ist die Irin) seine neue australische Pflanze, die Wollemia nobilis, und weiß auch sehr unterhaltsam zu berichten, wie die Asche der früheren Besitzerin einst in Schottland vergessen wurde. Keinesfalls auslassen sollten Südost-Irland-Reisende auch bei begrenztem Gartenprogramm das irische Nationalgestüt in Kildare. Dieses hat neben kinderlieben Fohlen in Streichel-Distanz, einem Pferdemuseum und dem Star-Hengst "Invincible" mit Deckgebühren von derzeit 45.000 Euro pro Stute auch – seit 100 Jahren – einen japanischen Garten, dessen zwanzig Stationen das Leben eines Menschen symbolisieren.

Nicht zu empfehlen ist allerdings, diesen Spaziergang in eine Gestütsführung zu integrieren. Sonst gleicht sich der besinnliche Rundgang den realen Lebensbedingungen an. Zwanzig Minuten für zwanzig Stationen, welche die freundliche Führerin zur Besichtigung des Gartens einräumt, sind einfach zu wenig. Und so hetzen die österreichischen Journalisten nach Kindheit, Verlobung, Heirat und Beruf direkt vom Hügel der Ambitionen ins Tor der Ewigkeit. Weisheit, Altersfrieden und Erleuchtung? Leider verpasst. (Julia Raabe/DER STANDARD/Printausgabe/19./20.06.2010)