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Die Finanz geht künftig härter gegen Steuerhinterzieher vor. Wer erwischt wird, muss mit Freiheitsstrafen und Geldbußen rechnen. Praktiker halten die Verschärfung für übertrieben.

Foto: AP/Heimken

Wien - Seit Finanzminister Josef Pröll erst die Finanzstrafgesetz-Novelle und dann das neue Betrugsbekämpfungsgesetz zur Begutachtung ausgeschickt hat, kommen die Experten nicht mehr aus dem Staunen heraus. In den Materien verbirgt sich so manche Neuerung, deren Folgen weitreichend sein dürften.

Bisher untergegangen ist zum Beispiel jene Passage im Betrugsgesetz, wonach Zahlungen ohne Bekanntgabe des Empfängers von Körperschaften mit einem Steueraufschlag von 25 Prozent belegt werden. Absetzbar sind diese Ausgaben ohnehin nicht. Betroffen sind davon nicht nur Schmiergelder, sondern auch andere Zuwendungen, die geheim gehalten werden sollen. Als ein Beispiel nennt Experte Karl Bruckner Reiseeinladungen von Pharmakonzernen an Ärzte, die nicht namentlich ausgewiesen werden, selbst wenn die Finanz nachfrägt.

Ebenfalls bisher nicht im Fokus standen Auslandszahlungen von mehr als 100.000 Euro, für die künftig eine Mitteilungspflicht besteht, wenn die Überweisungen im Zusammenhang mit selbstständigen Leistungen wie Vorträgen, wissenschaftlichen Arbeiten und Beratung stehen. Dass bei Unterbleiben der Meldung gleich eine Strafe im Ausmaß von zehn Prozent anfallen soll, bezeichnet Bruckner als "saftig". Richtig "schockiert" gibt sich der in der Kammer der Wirtschaftstreuhänder für Steuerfragen zuständige Experte und Chef der Beratung BDO über die Ausdehnung der Strafen bei Hinterziehung.

Bei Vorsatz sind künftig neben den Geldbußen Freiheitsstrafen zwingend vorgesehen. So drohen ab einem hinterzogenen Betrag von 100.000 Euro neben einem Obolus von zwei Mio. Euro zwei Jahre Haft. Handelt es sich um Abgabenbetrug, weil beispielsweise Dokumente gefälscht wurden, steigt die höchstmögliche Geldbuße auf zehn Mio. Euro und der drohende Freiheitsentzug auf zehn Jahre. Das erscheint Hübner als übertriebene Härte und strenger als im Strafrecht, bei dem neben Freiheitsstrafen keine Geldbußen anfallen.

Bagatellfälle als Vorsatz?

Seiner Meinung nach könnten auch Bagatellfälle betroffen sein. Wenn jemand beispielsweise "höchstpersönliche Leistungen" - etwa ein Gutachten eines Wissenschafters oder Siegerprämien eines Sportlers - über eine GmbH verrechne, könnte das bereits als vorsätzlich gewertet werden.

Dazu kommen noch die neuen Strafen nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz, mit dem Unternehmen, Vereine und andere Organisationen sanktioniert werden. Im Falle eines Abgabenbetrugs könnte zur zehnjährigen Freiheitsstrafe des Geschäftsführers und zur Geldbuße von zehn Mio. Euro noch einmal dieselbe Summe dem Unternehmen als Strafe verhängt werden. "Das hätte man sich vor einigen Jahren nicht einmal in Schilling vorstellen können", meint Bruckner.

Starker Tobak ist für den Experten zudem die Beschneidung des Beraterprivilegs. Derzeit sind Steuerberater, Prüfer, Notare und Anwälte bei leichter Fahrlässigkeit von Strafen ausgenommen. Das soll sich ändern, wenn der hinterzogene Betrag 30.000 Euro übersteigt. Dann drohen den Beratern im Rahmen der Mittäterschaft die gleichen Geldbußen wie dem Hinterzieher.

Das mache die Beratung "eigentlich unmöglich", wettert der Präsident der Wirtschaftstreuhänder, Klaus Hübner. Bruckner meint, künftig werde man Erklärungen der Mandanten verlangen müssen, dass sie alle Einkünfte offengelegt haben: "Wir wollen keine Steuersünder schützen, aber oft verschwimmen die Grenzen im komplizierten Steuerrecht."

Freilich bringt Prölls Novelle auch Erleichterungen. Für kleinere Sünder und einer Hinterziehung von weniger als 10.000 Euro soll künftig ähnlich einer Anonymverfügung die finanzstrafrechtliche Verfolgung unterbleiben, wenn die Nachzahlung geleistet wird. Diese Vorschreibung wird dann auch nicht im Register dokumentiert und gilt somit auch nicht als Vorstrafe.

Selbstanzeigen werden erleichtert, indem das Schuldeinbekenntnis künftig bei jedem Finanzamt eingehen kann. Zudem wird die Grenze, aber der ein Gericht zuständig ist, von 75.000 auf 100.000 Euro angehoben. (Andreas Schnauder, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 21.6.2010)