Für Hansjörg fängt der zweite Tag gleich einmal nass an. Vorm Frühstück schon sitzt er im Hallenbad vom Seewirt und bereitet sich mental auf die Tour vor, während sich die anderen noch die Augen reiben. Vom Motorrad-Polizisten ahnt er zu dem Zeitpunkt noch nichts.

Foto: Guido Gluschitsch

Weder von dem, den er in nur wenigen Stunden auf der Nockalmstraße freundlich grüßen wird, noch von dem, den wir dann später, schon im Steirischen, treffen und der uns für ein paar Kilometer wie zufällig den Tourguide macht, weil er halt auch die schönsten Routen mit den umtriebigsten Fahrern kennt. Aufhalten will uns aber keiner. Anscheinend lacht uns die Genusstour schon bei den Visieren raus.

Foto: Guido Gluschitsch

"Extrem viele BMWs sind unterwegs", stellt Julia auf der Nockalm fest. Und Andreas teilt den RT-Fahrer, den wir wegen der Fotostopps bis zum Gipfel sicher drei Mal überholt haben und der sich eindeutig weit weg von uns eingeparkt hat, zum Fotografieren ein.

Foto: Guido Gluschitsch

Wir sind von der Berghatz mit den Boxern voller Adrenalin, der deutsche Kollege hingegen dürfte etwas gefrustet sein. Gegen das herzliche "Darf ich dich kurz benutzen?" vom Andreas kann er sich dann doch nicht wehren und reißt sogar Witze beim Fotografieren, die einen gewissen Unmut nicht verbergen können.

Foto: Guido Gluschitsch

Viel mehr übermutig war der junge Radfahrer, den wir bei unserem Stopp am Millstättersee getroffen haben, und der sich vor uns fast ausgebreitet hat. Wir haben nach der Bergtour eine Rast eingelegt und uns der Jause gewidmet, die uns der Seewirt eingepackt hat.

Foto: Guido Gluschitsch

Mit dem Blick aufs Wasser und den Apfel schon am Anschlag hören wir ein Klingeln, dann biegt ein Radfahrer ums Eck des Rastplatzes. Mörder Schräglage. Der Schrei von dem Schwan unten im Wasser, der wieder einmal nach einem Leidgenossen pickt, und das Aufsetzen vom Radlständer in der Kurve passieren fast gleichzeitig und reißen ein Loch in die Luft, in dem der Radler dann seinen Fluch placieren kann.

Foto: Guido Gluschitsch

Uns ist fast das Herz stehengeblieben, und ich konnte mir ein Bild davon machen, wie es wohl etwas später Simone gegangen sein muss, als sie hinten auf der GS mit dem Andreas einen unfreiwilligen Ausflug ins Grüne machte. "Auf einmal war ich im Leerlauf statt im ersten Gang, und dann war die Kurve auch schon aus." Angeblich hat ihm die Simone ordentlich auf den Helm gehaut.

Foto: Guido Gluschitsch

Aber zum einen dürfte ihm das lieber sein als die ständige Prüglerei in die Nieren, wenn er schneller fährt, als die StVO zulässt, andererseits dürfte es nicht wirklich geholfen haben, denn bevor wir im Römersteinbruch ankommen, bezieht er mitten auf der Böschung schon wieder Tachteln. "Was soll‘s?", fragt sich Andreas, "Es ist nichts passiert, und die GS halt das Fahren abseits der Straße locker aus."

Foto: Guido Gluschitsch

Im Römersteinbruch ist diese Aufregung aber schnell wieder vergessen, als wir mit den Motorrädern durch die Gänge des rund 25.000 Quadratmeter großen unterirdischen Muschelkalksteinbruchs fahren. Erst war hier in Wagna, unweit der südsteirischen Weinstraße bei Leibnitz, das Meer.

Foto: Guido Gluschitsch

Heute ist davon nicht mehr viel zu sehen – lässt man den unterirdischen Steinbruch außer Acht. Vor rund 2000 Jahren bauten die Römer hier den Stein ab, mit dem sie Flavia Solva errichteten, eine große Stadt, die ihren Namen auch an einen scheiternden Fußballverein weitergeben muss. Dann kommt eine Zeit, wo das Parlament, die Votivkirche und der Stephansdom aus diesem Stein gebaut werden.

Foto: Guido Gluschitsch

"Die tristeste Zeit in der Geschichte dieses Steinbruchs", sagt Walter, der uns den Steinbruch erklärt, "ist die des Zweiten Weltkrieges. Damals waren hier Kriegsgefangene stationiert, die unterirdisch Flugzeugteile produzierten."

Foto: Guido Gluschitsch

Heute wird der Römersteinbruch wieder friedlich genutzt. "Im vorderen Bereich haben wir eine Ausstellung, die Wagna einst für die Landesausstellung erarbeitet hat. Weiter hinten finden immer wieder Konzerte, Theateraufführungen und andere Kulturveranstaltungen statt."

Foto: Guido Gluschitsch

Ein ziemliches Theater gibt es dann am Abend auch um die Weinkarte des Hotel Staribacher. Julia meint sogar: "Das ist keine Weinkarte, das ist ein Weinbuch." Wir ordern zum Essen einen südsteirischen Roten – Cuvee Otter vom Scheucher – und plaudern dabei noch über das Gewinnspiel, während der äußerst aufmerksame Kellner jeden noch so patscherten Fauxpas mit einem Lächeln quittiert.

Foto: Guido Gluschitsch

Nur etwas mehr als 300 Kilometer haben wir heute geschafft. Dafür waren keine 300 Meter gerade Straße dabei. Die BMWs sind kaum aufrecht gefahren, waren immer in Schräglage. Und sie haben unsere Endorphinausschüttung angekurbelt, als ginge es darum, zu beweisen, dass Motorradfahren besser ist, als Sex zu haben.

Foto: Guido Gluschitsch

"Motorradfahrer sind eher eine kleine Gruppe an Gästen, die wir in unserem Hotel begrüßen dürfen", erzählt uns Frau Gabriele Sattler vom Hotel Staribacher. "Meist sind es einzelne Fahrer, die kommen", erzählt sie uns. Hauptattraktion der Gegend ist sicher die Weinstraße.

Foto: Guido Gluschitsch

"Das alte Sulmbad ,Steinerne Wehr‘, gleich da drüben, ist immer noch ein Geheimtipp, den auch nur wenige unserer Gäste besuchen und kennen." Traurig macht Frau Sattler das aber nicht, denn so könnte der Charme des alten Flussbades, in dem man sich in eine andere Zeit versetzt vorkommt, vielleicht uriger erhalten bleiben.

Foto: Guido Gluschitsch

Wir schauen dann auch nicht runter zum Sulmbad, denn noch bevor wir die Koffer von den BMWs runtergeholt und im Zimmer geöffnet und es unter die Dusche geschafft haben, setzt draußen heftiger Regen ein, der die ganze Nacht nicht aufhören soll.

Foto: Guido Gluschitsch