Nürtingen - Der deutsche Modekonzern Hugo Boss will sich massiv in den Einzelhandel einmischen. Bis 2015 soll knapp die Hälfte des Konzernumsatzes in eigenen Modegeschäften und im Online-Handel erwirtschaftet werden, sagte Vorstandschef Claus-Dietrich Lahrs am Montag bei der Hauptversammlung in Nürtingen bei Stuttgart. 2009 trug der eigene Einzelhandel 33 Prozent zum Umsatz bei.

Gerade in der Wirtschaftskrise im vergangenen Jahr, als die Geschäfte mit dem Großhandel um 15 Prozent zurückgingen, seien die Umsätze in den eigenen Shops um 13 Prozent gestiegen. "Das sind Geschäfte, die unsere eigene Handschrift tragen", sagte Lahrs. Außerdem seien die eigenen Läden profitabler als das Geschäft mit dem Großhandel.

Wenn der Konzernumsatz wie geplant von 1,56 Mrd. Euro im Jahr 2009 auf rund 2,5 Mrd. Euro im Jahr 2015 steigt, müsste Hugo Boss die Umsätze im Einzelhandel mehr als verdoppeln, um die selbst gesteckten Ziele in den eigenen Boutiquen zu erreichen. Dazu will die Gruppe pro Jahr 50 bis 60 neue Geschäfte eröffnen, jedes dritte davon in China.

Mit blauem Auge durch die Krise

Nach den teilweise heftigen Debatten bei den Hauptversammlungen der vergangenen Jahre zeigten sich die Aktionären diesmal weitgehend zufrieden mit dem Edelschneider aus Metzingen. Hugo Boss hatte im vergangenen Jahr trotz der Krise unterm Strich mit 104 Mio. Euro nur sieben Prozent weniger verdient als 2008. Trotzdem beschloss die Hauptversammlung eine Kürzung Dividende um 30 Prozent auf 96 Cent je Stammaktie und 97 Cent je Vorzugsaktie. Weltweit beschäftigt Hugo Boss gut 8.900 Menschen, knapp ein Viertel davon in Deutschland.

Die Hugo-Boss-Kleinaktionäre befürchten freilich weiter ihren Zwangsausschluss durch den Großaktionär Permira. Mit dem weiterem Rückkauf eigener Aktien durch das Unternehmen drohe letztlich eine zwangsweise Abfertigung, warnte ein Kleinaktionär am Montag auf der HV. Die Kleinaktionäre müssten künftig zudem im Aufsichtsrat vertreten sein, forderte der Anleger: "Es gehört mehr Streubesitz herein". Auch andere Kleinaktionäre verlangten Auskunft über die Ziele des Finanzinvestors Permira mit Hugo Boss.

Vorstand und Aufsichtsrat ließen die Aktionäre - wie in den Vorjahren - im Unklaren über die Absichten des Mehrheitsaktionärs. Der von Permira an der Aufsichtsratsspitze installierte Chefaufseher Hellmut Albrecht sagte, Befürchtungen über die Einziehung von zurückgekauften eigenen Aktien zugunsten eines steigenden Anteilsbesitzes des Großaktionärs seien "völlig ungerechtfertigt". Eine Berufung eines Kleinaktionärs-Vertreters in den Aufsichtsrat lehnte der Aufsichtsratschef ab. "Es gibt keinen spezifischen Kleinaktionärs-Vertreter", sagte Albrecht. Alle Aufsichtsräte seien allen Aktionären verpflichtet.

Permira hatte 2007 die frühere Boss-Mutter Valentino aus Italien geschluckt, die der Wollweber-Familie Marzotto gehörte. Damit wurde Permira gleichzeitig Mehrheitsgesellschafter bei Hugo Boss. (APA/Reuters)