Langhammer: "Ich rechne mit einer kontrollierten Höherbewertung. Eine Aufwertung wäre ein einmaliger größerer Schritt, da werden die Chinesen sehr vorsichtig sein."

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Die Spannung war groß, am Ende hat die chinesische Landeswährung Yuan am Montag aber nur leicht aufgewertet. Peking verweigert größere Sprünge ganz zu Recht, sagt Asienexperte Rolf Langhammer zu András Szigetvari

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STANDARD: Wie stark unterbewertet ist der chinesische Yuan?

Langhammer: Man hört immer wieder 40 Prozent. Aber diese Ziffer wird von vielen Kollegen bestritten, die ein ganz anderes Maß verwenden. Sie sagen, dass wir berücksichtigen müssen, dass China ein normaler Fall einer aufholenden Volkswirtschaft ist, dass also die höhere Inflationsrate in die Kursmodelle einberechnet werden muss. Und dann kämen wir auf eine Unterbewertung des Yuan von zwölf bis maximal 15 Prozent. Ich bin selbst auch der Meinung, dass wir eher bei dieser Größenordnung sind.

STANDARD: China wird für seine Währungspolitik aber heftig kritisiert: Der künstlich niedrig gehaltene Yuan sei für die gigantischen Ungleichgewichte im Welthandel verantwortlich, sagen vor allem die Amerikaner.

Langhammer: Die Ungleichgewichte sind in der Krise aber weniger geworden. Das amerikanische Handelsdefizit ist zurückgegangen. Und auch in China ist der Außenhandelsüberschuss nicht mehr so groß wie früher, weil die Europäer aber vor allem die Amerikaner angefangen haben zu sparen und ihren Konsum einschränken. Derzeit wachsen die chinesischen Importe schneller als die Exporte. Außerdem dürfen wir nicht nur auf die Wechselkurse blicken, sondern müssen auch die Einkommensentwicklung in China im Auge haben.

STANDARD: Was heißt das?

Langhammer: Das heißt, dass das starke Wachstum in China eine Mittelschicht entstehen lassen wird. Damit wird in China die Nachfrage nach hochwertigen Konsumgütern aus Europa und den USA automatisch steigen, was die Ungleichgewichte im Welthandel weiter verringern wird.

STANDARD: Würden Sie eine Aufwertung des Yuan begrüßen?

Langhammer: Ja. Eine Aufwertung liegt im klaren Interesse Chinas. Zunächst einmal dämpft eine Aufwertung die Inflation, weil die eingeführten Güter billiger werden. Unter der Inflation leidet vor allem Chinas Landbevölkerung. Sinkt die Inflation, steigen die Realeinkommen automatisch - und das ist der zweite große Vorteil der Aufwertung. Denn China muss in den kommenden Jahren unbedingt von seinem rein auf Exporte gestützten Modell wegkommen. Dafür muss aber erst einmal die Nachfrage in China gestärkt werden, und dafür müssen die Löhne steigen.

STANDARD: Erwarten Sie eine Aufwertung des Yuan?

Langhammer: Ich rechne mit einer kontrollierten Höherbewertung. Eine Aufwertung wäre ein einmaliger größerer Schritt, da werden die Chinesen sehr vorsichtig sein. Der Yuan wird etwas höher bewertet werden - ich glaube nicht, dass dieser Effekt sehr nennenswert sein wird, weil China seine Exporteure nicht unter Druck setzen wird, solange die internationale Nachfrage in Europa und den USA flau ist.

STANDARD: Die Yuan-Debatte ändert eines nicht: Bisher ist China gut durch die Krise gekommen.

Langhammer: China ist wunderbar durch die Krise gekommen. China hat natürlich sehr viel Geld in die Hand genommen und das vom Umfang her mit 13, 14 Prozent des Bruttoinlandsproduktes größte Konjunkturpaket der Welt aufgelegt. Aber vor allem hat China eine vernünftige Politik betrieben: Sie haben ein niedrigeres Schuldenniveau gehabt und konnten sich mehr leisten als andere Staaten. Gleichzeitig hat China nicht nur große Konjunkturpakete aufgelegt, sondern auch in der Fiskalpolitik vernünftig reagiert und all das gut kommuniziert, ohne dass je Panik aufgekommen wäre. DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22.6.2010)