Es ist kein Geheimnis, dass der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko bei seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin nicht besonders gut gelitten ist. Beide Männer, die einen autoritären Führungsstil pflegen, verbindet eine tiefe Rivalität. Lukaschenko ist der einzige Staatenlenker in der ehemaligen Sowjetunion, der Putin mit seinen eigenen Waffen bekämpft. Eine Unterbrechung der russischen Öllieferungen zur Jahreswende wurde abgewendet, da Minsk drohte, den Stromtransit an die russische Exklave Kaliningrad zu unterbrechen.

Auch diesmal hatte Weißrussland ein gutes Druckmittel gegenüber dem großen Bruder in der Hand. Mit der weißrussischen Zustimmung zur gemeinsamen Zollunion steht und fällt das politische Prestigeprojekt, das Putin vor einem Jahr aus dem Hut zauberte, um den Beitritt Russlands zur WTO noch ein bisschen hinauszuzögern. Dazu kommt, dass Russland derzeit Negativschlagzeilen sehr ungelegen kommen, es will potenzielle Investoren nicht verschrecken.

Es sieht danach aus, dass Minsk auch diesmal mit einem blauen Auge davonkommt. Doch die Zeit für Weißrussland wird knapp. Die russische Gasprom treibt den Bau von zwei Pipelines voran, die die Transitländer Ukraine und Weißrussland umgehen werden. North Stream wird bereits gebaut und soll 2012 fertiggestellt werden. South Stream soll 2015 in Betrieb gehen. Lukaschenko muss sich also bald nach neuen Einnahmequellen umschauen. (Verena Diethelm , DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22.6.2010)