Firnberg - ein klangvoller Name. Österreichs erste sozialdemokratische Ministerin, verantwortlich für eine Universitätsreform, Kämpferin für Emanzipation. Grande Dame der damaligen Politik, verhöhnt freilich von Thomas Bernhard, weil sie bei der Verleihung des Grillparzer-Preises an ihn entschlummert sei und sogar leise geschnarcht habe, um dann nach dem "Schreiberling" zu fragen. Doch um Hertha Firnberg soll es hier nicht gehen.

Firnberg - so hat Adalbert Stifter in der Novelle Nachkommenschaften Schloss Frein im oberösterreichischen Frankenburg genannt, jenes Schloss Frein, in dem die Zogajs, Österreichs bekannteste, politisch am heftigsten umkämpfte Flüchtlingsfamilie lebt. Besser gesagt: der Rest einer einstmals intakten Familie.

Stifter war in seiner Funktion als Schulinspektor in den Ort am Rande des Hausruckwaldes gekommen, um Informationen über den Gutsbesitzer Franz Schaup einzuholen, der sich vielfältig engagierte und unter anderem eine Kinderbewahranstalt hatte errichten lassen - und der, so Stifter, "durch seine Wohltaten als Segen für die Gegend bezeichnet wird". Diesem Franz Schaup gehörte auch Schloss Frein.

1938 nahmen die Nationalsozialisten das Anwesen in Beschlag, um hier rauschende Feste und eine Aufführung der von ihnen propagandistisch vereinnahmten "Frankenburger Würfelspiele" gebührend zu feiern. Das Spiel von der brutalen Niederschlagung des Bauernaufstandes passte gut zu ihrer Blut-und-Boden-Romantik. Viele NS-Bonzen waren da, Arthur Seyß-Inquart, August Eigruber, Ernst Kaltenbrunner, Anton Reinthaller. Auch Adolf Hitler war erwartet worden, kam dann aber nicht. Immerhin wurde seinetwegen die Zufahrtsstraße ausgebaut und asphaltiert.

Nach den Nazis kamen die Bessarabiendeutschen, die im Zuge des Hitler-Stalin-Pakts "heim ins Reich" geholt wurden. Viele von ihnen wurden hier einquartiert. Dann, nach Kriegsende, folgten Flüchtlinge aus dem Osten, Donauschwaben etwa, und das Schloss wurde zur "Lagervolksschule". Später verschlug es kurdische Türken hierher. Sie sind geblieben, mittlerweile im Dorf integriert, zum Teil österreichische Staatsbürger.

Katholiken, Protestanten, Mohammedaner, Gläubige und Ungläubige, Flüchtlinge, auch Nazis - alle waren hier. Und jetzt eben die Familie Zogaj. Nach der von Chris Müller organisierten Demonstration Anfang Oktober 2007 auf dem Marktplatz von Frankenburg war es selbstverständlich, ihnen das Angebot zu machen, im Schloss zu wohnen, falls sie ein Quartier suchen sollten - weil es eben der Tradition dieses Hauses entspricht, Menschen in Not aufzunehmen, weil sich das in einer solchen Situation einfach gehört. Da muss nicht groß Christlichkeit bemüht werden, es reicht Humanität.

Damals, als sich der Gemeinderat von Frankenburg einstimmig für den Verbleib der Zogajs aussprach, schien alles einen guten Verlauf zu nehmen, zumal in der Bevölkerung die Meinung vorherrschte, dass es falsch sei, eine Familie jahrelang hier Wurzeln schlagen zu lassen, um sie dann aus dem Land zu werfen. Da habe der Staat versagt.

Doch dann ist alles schiefgelaufen. Zuallererst hat die Ortskirche versagt, die sich versteckt und auffallend stillgehalten hat. Wer denn als sie wäre gefordert gewesen, wenn kurz vor Weihnachten Menschen auf Herbergssuche sind! Aber kein Aufruf zu christlicher Nächstenliebe, schon gar keine Taten, nichts. Es musste sich Pfarrer Josef Friedl aus Ungenach ein Herz nehmen und um Arigona kümmern, was ihm keinesfalls gedankt wurde.

In dem Moment, da sich die hohe Politik einschaltete, war es um die Vernunft geschehen. Prompt kippte die öffentliche Meinung, wurde das grundsätzlich positive Klima - im Ort und darüber hinaus - zerstört. Es ist das ein Land, in dem das geschieht, was die Obrigkeit sagt. Und die sagte Nein. Aus Prinzip und aus reinem politischen Kalkül, niedrigste Instinkte bedienend.

Arigona hat das Klischee, wie Flüchtlinge und Asylsuchende zu sein haben, nicht erfüllt. Sie hat sich nicht ängstlich und verzagt ihrem von oben verordneten Schicksal gefügt, sondern ist selbstbewusst und trotzig aufgetreten. Sie wollte nicht einsehen, warum sie nicht bleiben können soll. Das wollte sich die Obrigkeit nicht gefallen lassen - weil sich der Staat nicht von einem 15-jährigen, obendrein hübschen Mädchen erpressen lassen dürfe, wie es hieß.

So wurde Arigona mit kräftigem, nicht immer wohlmeinendem Zutun der Medien zur Symbolfigur. In deren Schatten sind viele ähnlich gelagerte Fälle anders, auf humane Weise gelöst werden. Eine Reihe von Gemeinden hat vorgeführt, wie es auch gegangen wäre. Überall dort, wo Bürgermeister eben nicht bei erstem Gegenwind umgefallen, sondern Position bezogen und standhaft geblieben sind. Darauf käme es generell an in der Integrationspolitik: Haltung und Standhaftigkeit. Doch aus lauter Angst vor rechts ist das handelnde politische Personal in diesem Fall dazu weder fähig noch willens.

Stattdessen wird der Rechtsstaat strapaziert, beruft man sich auf ein maßgeschneidertes Gesetz. Sie könne den Zogajs humanitäres Bleiberecht nicht gewähren, weil es das Gesetz verbiete, ließ die Innenministerin die Tochter von Franz Jägerstätter wissen, die sie um ein Einlenken gebeten hatte. Es ist diese zynische Mischung aus "Recht muss Recht bleiben" und "gesundem Volksempfinden", die jede Menschlichkeit verbietet. (Christian Limbeck-Lilienau/DER STANDARD-Printausgabe, 22.6.2010)